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Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Titel: Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaquat Ahamed
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sagte er, das kommende Chaos werde den Reparationszahlungen endgültig ein Ende setzen.
    Von allen Zentralbankiers in Europa war allerdings Montagu Norman am meisten erleichtert. Der Crash war genau zur richtigen Zeit gekommen, um das britische Pfund zu retten. Er war überzeugt, die Anhebung der britischen Zinsen am 26. September habe die Blase zum Platzen gebracht und begann sich selbst das Verdienst zuzuschreiben, den Zusammenbruch verursacht zu haben. Er war durch die Ereignisse an der Wall Street so entspannt, dass er am Morgen des 29. Oktober, des Schwarzen Dienstags, während die Welt der Finanzen in ihre Bestandteile zerfiel, seinen üblichen Termin wahrnahm, dem Künstler Augustus John Modell zu sitzen, der von der Bank of England damit beauftragt worden war, sein Porträt zu malen.
    Während der letzten Woche im Oktober und der ersten Wochen im November hielt ihn George Harrison per Kabel und mit Telefonaten über den Atlantik über die Entwicklungen an der Wall Street auf dem Laufenden, wobei dessen Stimme den üblichen atmosphärischen Störungen ausgesetzt war. Am 31. Oktober rief Harrison an und verkündete freudig, der Markt habe seinen Absturz so ziemlich beendet; man hatte die Blase angestochen, ohne dass es auch nur zu einer einzigen Bankpleite kam.
    In den ersten Monaten liefen die Dinge nach Plan. Die europäischen Aktienmärkte fielen im Einklang mit der Wall Street, aber weil sie nicht so hoch gestiegen waren, stürzten sie auch nicht so steil ab. Während der US-Aktienmarkt um fast 40 Prozent abrutschte, verloren der britische Markt 16, der deutsche 14 und der französische nur elf Prozent. Obwohl die Größe des britischen Aktienmarkt als Prozentsatz des Bruttoinlandsprodukts mit dem amerikanischen vergleichbar war, bevorzugte der durchschnittliche Brite Sportwetten und überließ den Aktienmarkt den hohen Tieren aus der City. Der französische und der deutsche Aktienmarkt waren dagegen sehr klein. Daher wirkte sich der Crash in psychologischer Hinsicht auf die europäischen Verbraucher und Anleger weniger bedrückend aus, und die volkswirtschaftlichen Auswirkungen waren entsprechend weniger traumatisch. Zudem belebte sich die Kreditaufnahme im Ausland, weil die Kreditbedingungen in den USA gelockert wurden. Plötzlich wurde Geld freier zugänglich. Zentralbanken in ganz Europa mussten ihre Goldreserven nicht mehr gegen den Sog aus New York verteidigen und konnten ebenso wie die Federal Reserve ihre Zinsen senken. Als die amerikanischen Zinsen im Juni 1930 ihr Nachkriegstief erreichten, hatten die Bank of England die Zinsen auf 3,5 Prozent, die Reichsbank auf 4,5 Prozent und die Banque de France auf 2,5 Prozent gesenkt.
    Gerade als der Druck verschwand, eine Attacke auf das Pfund abwehren zu müssen, plagte sich Norman mit einer anderen und völlig unerwarteten Herausforderung herum. Im November 1929, wenige Wochen nach dem Crash, reagierte die neue britische Labour-Regierung auf Kritik über die chronisch schwache Entwicklung der britischen Wirtschaft mit der Ernennung eines ausgewählten Komitees unter der Leitung des hoch angesehenen Richters Lord MacMillan, das die Funktionsweise des britischen Bankensystems untersuchen sollte. Die Hälfte der 14 Mitglieder waren Bankiers, der Rest war eine bunte Mischung von Wirtschaftswissenschaftlern, Journalisten und Industriellen, darunter drei der erbittertsten Gegner des Goldstandards: Maynard Keynes, Reginald McKenna und Ernest Bevin von der Transport and General Workers Union, der gefürchtetste Gewerkschaftsführer des Landes.
    Mit der Ernennung dieses Komitees hatte die angeblich radikale Regierung klargemacht, dass das Thema, ob Großbritannien im Goldstandard verbleiben sollte, nicht auf den Tisch kommen sollte. Sogar Keynes, der unermüdliche Kritiker dieses Mechanismus und der Belastungen, die er der britischen Wirtschaft auferlegt hatte, war zu akzeptieren bereit, dass es sich dabei um eine vollendete Tatsache handelte und dass ein Abschied vom Gold zu diesem Zeitpunkt einfach für zu viel Unruhe gesorgt hätte.
    Dennoch begegnete die Bank of England – und Norman ganz besonders – dem Komitee mit großem Misstrauen. In der City hatte man schon immer gesagt, das Motto der Bank of England laute »Nie erklären, sich nie entschuldigen«. Dass er und die Bank nun Objekt einer öffentlichen Untersuchung waren, erfüllte ihn mit Schrecken. Das Komitee begann seine Anhörungen am 28. November. Norman sollte als einer der ersten Zeugen am 5.

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