Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
unumstritten – Huey Long, der populistische Gouverneur von Louisiana erklärte, er sei nichts anderes als »ein gewöhnlicher Aktienladenbesitzer oben in der Wall Street … nicht einmal ein rechtmäßiger Bankier.« Die Anhörungen vor seiner Bestätigung im Amt gestalteten sich schwierig. Senator Brookhart aus Iowa ging auf ihn los und nannte ihn einen »Judas Ischariot … einen, der im Interesse der großen Unternehmen das Spiel des Wuchers betrieben hatte« – trotz all seines Reichtums hatte er während seiner gesamten Karriere mit Antisemitismus zu kämpfen.
Wenn es jemanden gab, der in der Lage zu sein schien, die Lähmung der Fed aufzuheben, dann war es Meyer. Aber sogar er war bald überfordert. Er fand ein Board vor, das von kleinlichen Intrigen und persönlichen Fehden geplagt wurde. Adolph Miller war heillos mit Charles James zerstritten. Einige der Altgedienten wie Hamlin ärgerten sich über Meyer und fanden, er sei zu eng mit dem Präsidenten verbunden.
Das System der Entscheidungsfindung und der Zuständigkeiten innerhalb der Fed, so kompliziert es schon immer gewesen war, wurde nun sogar noch schwerer zu durchschauen. Während Strongs Amtszeit waren Entscheidungen darüber, wie viel Geld man durch Offenmarkt-Käufe von Regierungsanleihen in das Bankensystem pumpen sollte, vom fünfköpfigen Open Market Investment Committee (OMIC) getroffen worden, in dem die Präsidenten der Federal Reserve Banken von Boston, New York, Philadelphia, Chicago und Cleveland Sitz und Stimme hatten. Daher musste Strong nur zwei andere überzeugen, um sich eine Mehrheit zu sichern.
Im Januar 1930 wurden die Entscheidungen über Offenmarkt-Operationen der neuen, zwölfköpfigen Open Market Policy Conference (OPMC) übertragen, in dem sämtliche Präsidenten der Reservebanken vertreten waren. Natürlich musste jeder von ihnen seinem eigenen, aus neun Mitgliedern bestehenden Verwaltungsrat Rechenschaft ablegen. Das alte, fünfköpfige Komitee (OMIC), das man in das Exekutivkomitee des OPMC umbenannt hatte, behielt die Verantwortung für die Durchführung. Jetzt rangelten drei verschiedene Gruppen um die Macht – eine davon, das OPMC, konnte Maßnahmen in die Wege leiten, aber nicht durchführen; eine andere, das Board, musste politische Entscheidungen billigen, konnte sie aber nicht in die Wege leiten, und eine dritte, das Exekutivkomitee des OPMC, setzte die Entscheidungen innerhalb eines Ermessensspielraums um. In jedem Stadium konnte eine Maßnahme durch ein Veto gestoppt oder matt gesetzt werden. Obwohl sowohl Harrison als auch Meyer als die beiden prominentesten Mitglieder der Fed meinten, man solle aggressiver vorgehen, zogen sie folglich gegen das System den Kürzeren.
Der große Crash wurde in Europa mit einer Mischung aus Schadenfreude und Erleichterung begrüßt. Laut New York Times »brachten die panischen Verkäufe am Schwarzen Donnerstag die Londoner City in die komfortable Situation, behaupten zu können: ›Ich habe es dir ja gleich gesagt.‹« Am selben Tag wurde Maynard Keynes von der New York Evening Post kontaktiert und kommentierte: »Wir in Großbritannien können nicht anders als einen großen Seufzer der Erleichterung ausstoßen, weil offenbar ein Albtraum beendet ist, der das Geschäftsleben der ganzen Welt außerhalb Amerikas schwer belastet hat.« Der Zusammenbruch der Wall Street war nach Ansicht einer maßgeblichen französischen Stimme wie das Platzen eines »Abszesses«. Man hoffte nun, all das von der Wall Street aufgesaugte europäische Kapital werde wieder zurückkommen, den Druck auf die europäischen Goldreserven lindern und es Ländern wie Großbritannien oder Deutschland ermöglichen, die Kreditbedingungen zu lockern und ihre Wirtschaft wieder in Gang zu bringen.
Sehr zu seinem Vergnügen hatte Émile Moreau in diesem Jahr die Herbstjagdsaison in Saint Léomer nicht auslassen müssen. In der letzten Oktoberwoche 1929 nahmen er und Schacht im Erholungsort Baden-Baden im Schwarzwald an einer internationalen Bankierskonferenz teil, um den Young-Plan abzuschließen und die Durchführungsverordnungen für die neu geschaffene Bank für internationalen Zahlungsausgleich zu verabschieden. Schacht erfuhr von den Ereignissen an der Wall Street, als er zufällig bemerkte, dass die amerikanische Delegation am Morgen des 29. Oktober besonders niedergeschlagen aussah, und er konnte sein Entzücken kaum verbergen, als er den Grund dafür entdeckte. Zu einem Schweizer Bankier, der ihn besuchte,
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