Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
Sparsamkeit und Risikoscheu seiner Bürger. Tatsächlich war klar, dass die Banque unter Émile Moreau 1930 die natürliche Tendenz eines Goldzuflusses, eine Expansion der Währung auszulösen, sehr bewusst und absichtlich unterbunden – die technische Bezeichnung lautete sterilisiert – hatte. Da die Preise auf der ganzen Welt einbrachen, mag dies seltsam klingen, aber es war ein Symptom, wie tief er und die französischen Verantwortlichen von den Währungskrisen 1924 und 1926 erschreckt worden waren.
Die meisten Menschen wussten nicht, dass ein großer Teil des Goldes, das angeblich nach Frankreich geflossen war, in Wirklichkeit in London aufbewahrt wurde. Gold war so schwer – ein Würfel mit einer Kantenlänge von 42 cm wiegt ungefähr eine Tonne –, dass die Zentralbanken, statt Goldkisten hunderte von Meilen von einem Land zum anderen zu transportieren und hohe Versicherungsprämien zu bezahlen, dazu übergegangen waren, das Metall zu »markieren«. Es blieb also im selben Tresorraum, und nur das Eigentum wurde übertragen. Daher wurde der Rückgang der britischen sowie der Anstieg der französischen und amerikanischen Goldreserven von einer Gruppe von Männern vollzogen, die in die Tresorräume der Bank of England hinabstiegen, Goldbarren auf einen niedrigen Holzkarren mit kleinen Vollgummirädern luden und sie zehn Meter durch den Raum zur anderen Wand fuhren. Dort luden sie sie ab, nicht ohne zuvor weiße Namensschildchen auf den Barren anzubringen, die besagten, dass das Gold nun der Banque de France oder der Federal Reserve Bank gehörte. 47 Dass die Welt unter einer immer stärkeren Kreditverknappung litt, nur weil zufällig auf der einen Seite des Tresorraums zu viel und auf der anderen nicht genug Gold lagerte, provozierte Lord d’Abernon, nach dem Krieg britischer Botschafter in Deutschland, nun Elder Statesman und Ökonom, zu dem Ausruf: »Diese Depression ist die dümmste und überflüssigste aller Zeiten.«
Als die französischen Goldreserven im Sommer und im Herbst 1930 weiter anstiegen – und mit ihnen die Spannungen zwischen Großbritannien und Frankreich –, dachten die Franzosen allmählich über Gegenmaßnahmen nach. Die Rückkehr der französischen Goldpolitik an die vorderste Front der wirtschaftlichen Debatten war zu viel für Norman. Mit den Amerikanern verhandelte er gern, aber nachdem er sich schon 1927 mit Moreau die Finger verbrannt hatte, lehnte er es ab, mit der französischen Bürokratie irgendetwas zu tun zu haben.
Stattdessen überließ er es klugerweise dem Finanzministerium, mit den Kollegen vom französischen Finanzministerium zu verhandeln. Diese Gespräche führten zu nichts. Tatsächlich brachten sie die übelsten Charaktereigenschaften beider Länder ans Licht. Die Briten konnten es nicht lassen, herablassende Vorträge über die Primitivität und die Mängel des französischen Bankensystems zu halten, ohne Sinn dafür, dass sie selbst solche Ratschläge aus dem Ausland als Einmischung und Beleidigung empfunden hätten.
Bald wurde klar, dass Frankreich weniger durch ökonomische Argumente als durch strategische Kalkulationen motiviert war. Die französischen Politiker versuchten, ihre finanziellen Muskeln spielen zu lassen, um politische Zugeständnisse herauszuholen – für sie war Geld kein Wert an sich. Sogar das Oberkommando der französischen Armee mischte sich ein. General Réquin, ein altgedienter Berater des Verteidigungsministers André Maginot, schrieb an den Generalstabschef General Weygand und drängte ihn »England unter Druck zu setzen, solange das Pfund von unserer Gnade abhängt … Wir können England zu verstehen geben … dass zunächst andere Fragen geklärt werden müssen, wenn man uns als Kreditgeber haben will.«
Im September 1930 tauchte plötzlich das Gerücht auf, Moreau werde zurücktreten. Diese Gerüchte gab es in Paris schon seit Monaten, für britische Bankierskreise war es allerdings ein großer Schock. Zunächst hieß es, er trete auf Druck der Briten zurück und sein Abschied könnte eine Veränderung der französischen Politik einleiten.
In der Tat hatte Moreau entschieden, dies sei ein guter Zeitpunkt für seinen Abschied. Wegen seiner Leistungen bei der Erholung des Franc war er kurz zuvor zum Großkommandeur der Ehrenlegion ernannt worden. Er folgte einfach der traditionellen Praxis in Frankreich, wonach ältere Beamte, die nach internationalen Maßstäben in der Regel schlecht bezahlt wurden, in den Privatsektor
Weitere Kostenlose Bücher