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Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Titel: Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaquat Ahamed
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ihr Land L’Île Heureuse – die Insel des Glücks. Im Sommer 1930 war Paris immer noch voller Touristen, und bei Au Printemps, dem berühmten Pariser Kaufhaus, blühte das Geschäft. Der Gegensatz zu den Nachbarn hätte nicht stärker sein können. Während in Deutschland 4,5 Millionen und in Großbritannien zwei Millionen Menschen arbeitslos waren, erhielten in Frankreich nur 190 000 Menschen Arbeitslosengeld. Und während die Preise im Rest der Welt im freien Fall waren, stiegen sie in Frankreich weiter.
    Ohne so recht zu wissen, wie ihm geschah, war Frankreich zur stärksten Volkswirtschaft in Europa geworden. Nachdem das Land ein Jahrzehnt lang wegen der Kombination aus »dem Krieg … der Angst vor Deutschland [und] dem Verfall des Franc« an einem Minderwertigkeitskomplex gelitten hatte, reagierte es auf sein unerwartet günstiges Schicksal mit einem Ausbruch der Selbstbeweihräucherung. Nach Ansicht des Premierministers André Tardieu wurde Frankreich, das dem ökonomischen Sturm mit Erfolg widerstanden hatte, von der ganzen Welt wegen seiner »harmonischen Wirtschaftsstruktur … der natürlichen Besonnenheit des französischen Volkes, seiner Anpassungsfähigkeit, seiner Modernität und seines Muts« bewundert. Tardieu war die Verkörperung all dessen, was die Briten an französischen Politikern verabscheuten. Er trug einen mit Juwelen verzierten Kneifer, hatte eine goldene Zigarettenspitze, fand großbürgerlichen Geschmack an Seidenhüten und modischen Westen, umgab sich gern mit zweifelhaften Personen und war schon vor seinem 35. Geburtstag an zwei Finanzskandalen beteiligt gewesen. Frankreichs Nachbarn waren zutiefst verärgert darüber, dass diese »schillernde Verkörperung gallischen Selbstvertrauens« der Welt nun Vorträge über Besonnenheit halten und, typisch für einen Franzosen, die Erfolge seines Landes auf die angeborenen und unschätzbaren Vorteile der französischen Zivilisation zurückführen konnte.
    Britische Kommentatoren, die nicht verstanden, warum die Rohstoffpreise trotz massiver Zinssenkungen immer weiter fielen, warum die Güterproduktion in ihrem eigenen Land weiter sank und die Arbeitslosigkeit anstieg, nannten die Funktionsweise des Goldstandards als wichtigsten Grund der weltweiten Depression, vor allem die Rolle der Federal Reserve und der Banque de France. Am Ende des Jahres hielten die USA und Frankreich zusammen 60 Prozent der weltweiten Goldreserven, und niemand unternahm etwas, um das Gold wieder in den internationalen Kreislauf zurückzuführen.
 
 
    Abbildung 6: Goldreserven: 1928 bis 1932 (in Millionen Dollar)

Nach 1929 sammelte Frankreich enorme Goldreserven an.
    Vor allem die Franzosen wurden beschuldigt, der Welt Liquidität zu entziehen, weil sie den Mechanismus des Goldstandards abkürzten. Paul Einzig, der Autor der einflussreichen Lombard Street-Kolumne in der Financial Times schrieb, es sei »die französische Politik des Hortens von Gold, die zum Absturz der Rohstoffpreise führte, was wiederum der Hauptgrund der wirtschaftlichen Depression war. Die Weigerung Frankreichs, mit anderen Nationen zu kooperieren, hat die Depression zu einer gewaltigen Krise werden lassen.« Auf ähnliche Weise argumentierte der berühmte schwedische Ökonom Gustav Cassell, der wichtigste Vertreter der Auffassung, die weltweite Deflation der Rohstoffpreise sei die Folge der mangelnden Goldzirkulation: »Die Banque de France hat beständig und unnötigerweise enorme Mengen Gold erworben, ohne im geringsten an die Folgen zu denken, die eine solche Vorgehensweise auf den Rest der Welt und daher auf die weltweite wirtschaftliche Lage haben muss.«
    Ende 1930 hatte die Banque de France allmählich zu verstehen begonnen, dass diese Akkumulation von Gold dem Rest der Welt schadete, weil sie ihr die Reserven entzog. Besonders schädlich war dies wegen der Eigenheiten des französischen Bankensystems. In den meisten Ländern arbeiteten die Banken daran, dass jeder Dollar an Gold ein Vielfaches dieser Summe in Form von Papiergeld und Krediten absicherte. Das französische Bankensystem aber war außergewöhnlich ineffizient darin, seine Goldvorräte zu nutzen. Folglich wurden die neu erworbenen 500 Millionen Dollar in Gold nur in weniger als 250 Millionen Dollar umlaufender Währung umgesetzt.
    Die französischen Finanzverantwortlichen behaupteten, sie könnten daran nicht viel ändern; die hohe Goldnachfrage sei eine Folge des ländlichen Charakters des Landes und der angeborenen

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