Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
Ort aus – von der Bronx, die zu den äußeren Verwaltungsbezirken New Yorks gehört und insbesondere von einer Bank mit dem seltsamen Namen Bank of United States (BUS), die trotz ihrer offiziell klingenden Bezeichnung nichts mit der amerikanischen Regierung zu tun, sondern ihre äußerst bescheidenen Wurzeln in der Textilindustrie in der Lower East Side in Manhattan hatte.
Am Morgen des 10. Dezember 1930 ging ein kleiner Kaufmann aus dem Morrisania-Bezirk der Bronx zur örtlichen Filiale der Bank of United States an der Ecke Freeman Street/Southern Boulevard und bat die Bank, seine bescheidenen Bestände ihrer Aktien zurückzukaufen. Diese Bitte war nicht so seltsam, wie sie klingt. Mitte 1929 hatte die Bank begonnen, den Kurs ihrer Aktien zu stützen, indem sie sie an ihre eigenen Kontoinhaber verkaufte. Als Anreiz erhielten die Investoren die förmliche Zusicherung, die Aktien der Bank zum offiziellen Kaufpreis von etwa 200 Dollar pro Stück wieder zurückverkaufen zu können. Wenn das zu schön klingt, um wahr zu sein, dann war es das auch. Aber Mitte 1929 glaubten die Leute eben einfach alles. Im Herbst 1930, nach dem Zusammenbruch an der Wall Street und inmitten immer stärkerer Besorgnis über die wirtschaftliche Lage New Yorks, kostete die Aktie etwa 40 Dollar.
Die Verantwortlichen der Zweigstelle in der Bronx versuchten den fordernden Anleger dazu zu bewegen, seine Aktien zu behalten, denn sogar zu den aktuellen Kursen seien sie ein ausgezeichnetes Investment. Zweifellos wütend über diesen offensichtlichen Versuch, ein eindeutiges Versprechen zu brechen, stürmte der Kunde hinaus und erzählte herum, die Bank habe Probleme. Schon am Nachmittag hatte sich eine kleine Schar von Kunden vor dem kleinen, neoklassizistischen Kalksteingebäude versammelt, um noch vor dem Schalterschluss ihre Ersparnisse abzuheben. Bislang hatte es trotz der Depression noch keinen Ansturm auf Banken in New York gegeben, und schon bald hatte sich eine Menge von 20 000 neugierigen Zuschauern gebildet, die sich dieses Schauspiel nicht entgehen lassen wollten. Als die besorgten Anleger unruhig wurden, musste man zu ihrer Kontrolle eine Schwadron berittener Polizei schicken, und einige Kunden wurden verhaftet. Als die Menschenmenge hektisch wurde, vertrieben sie die Polizisten auf ihren Pferden.
Die Bank of United States hatte 57 Zweigstellen in den vier größeren Verwaltungsbezirken New Yorks und über 400 000 Einzelkunden, mehr als jede andere Bank im Land. Gerüchte über die Probleme verbreiteten sich rasch über die ganze Stadt, und an vielen Filialen gab es an diesem Nachmittag ähnliche Szenen; gepanzerte Lastwagen mussten angefordert werden, um zusätzliches Bargeld zu liefern.
Die Bank war 1913 von Joseph S. Marcus gegründet worden, einem russisch-jüdischen Einwanderer, der 1879 in die USA gekommen war und als Textilarbeiter in der Canal Street angefangen hatte. Als Bekleidungsfabrikant und später als örtlicher Bankier hatte er viel Geld verdient. Die erste Niederlassung seiner Bank, gelegen an der Ecke Orchard/Delancey Street, wandte sich an die meist jüdischen Textilarbeiter und Händler in der Nachbarschaft. Wegen Marcus’ Ruf der Ehrlichkeit unter den Händlern in der Lower East Side und seines fairen Geschäftsgebarens entwickelte sich die Bank gut, wobei zweifellos auch ihr Name mithalf, der bei vielen ihrer Jiddisch sprechenden Kunden den Eindruck erweckte, sie werde irgendwie durch das Ansehen und das Geld der Staatsregierung gestützt. Als der ältere Marcus 1927 starb, war die Bank schon zu einer Institution geworden – mit Einlagen von 100 Millionen Dollar, einem Hauptquartier in der Fifth Avenue Nr. 320 und sieben Zweigstellen in der ganzen Stadt. Aber ihre Angestellten und ihre Kunden waren weiterhin hauptsächlich Juden, und daher erhielt die BUS den abfälligen Beinamen »die Bank der Unterhosenbügler.«
Als Joseph Marcus starb, wurde die Bank von seinem Sohn Bernard Marcus übernommen, einem brillanten, aber extravaganten Geschäftsmann mit einer Vorliebe für auffälligen Konsum, wodurch er sich von seinem bescheidenen Vater deutlich unterschied. Wenn er zum Beispiel nach Europa reiste, dann tat er dies mit 30 Gepäckstücken und bestand stets darauf, in der größten Suite auf dem Schiff untergebracht zu werden. In den folgenden beiden Jahren erweiterte er seine Basis durch eine Reihe von Fusionen, sodass sie bis 1929 auf ein Einlagenvolumen von 250 Millionen Dollar angewachsen war.
Marcus
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