Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
wechselten, um sich ein Vermögen aufzubauen. Er hatte den Posten des Vizepräsidenten der Banque de Paris et Pays-Bas angenommen, der prominentesten unter den privaten banques d’affaires , einer charakteristischen französischen Bankvariante, die Wertpapieremissionen und direkte Investitionen in die Industrie miteinander kombinierte. In der Tat war er schon aus seiner Dienstwohnung als Präsident der Banque de France ausgezogen. Diese wurde trotz ihrer »luxuriösen Ausstattung« von Kerosinlampen erleuchtet, hatte eine besonders »altertümliche Heizung« und roch wie »die Stube eines Pfennigfuchsers«. Nun wohnte er in einem prächtigen hôtel particulier , einem großen Stadthaus in der Rue de Constantine gegenüber dem Hôtel des Invalides.
Sein Nachfolger wurde sein Stellvertreter Clément Moret, wie Moreau studierter Jurist, der die Sciences Po besucht hatte und dann ins Finanzministerium gegangen war. Moret gehörte aber nicht dem elitären Inspectorat des Finances an. Stattdessen hatte der zurückhaltende Moret 25 Jahre damit verbracht, sich in der Hierarchie des Finanzministeriums nach oben zu arbeiten. Entdeckt von Poincaré, der ihn als »unnormal ehrlich« bezeichnete, wurde Moret Generaldirektor im Ministerium und 1928 zum stellvertretenden Präsidenten der Banque de France ernannt.
Er gehörte einer anderen Generation an – mit 45 war er der jüngste Mann, der je zum Bankpräsidenten befördert worden war. Und im Gegensatz zu Moreau, der sich schroff bis an die Grenze zur Grobheit gab, war Moret höflich und nachdenklich. Aber obwohl in der Banque nun ein anderer Stil herrschte, gab es keine Veränderungen, was den Kern der Politik betraf. Noch mehr als Moreau betrachtete Moret sich selbst als Staatsdiener und die Banque de France im Prinzip als Arm des Staats. Sein Vorschlag lautete: Wenn das Ziel darin bestand, die Goldreserven wieder von Frankreich nach Großbritannien zu leiten, dann sollte die britische Regierung direkt in Frankreich Kredite aufnehmen. Da es keinerlei Sicherheit gab, dass das Pfund stabil bleiben werde, mussten solche Kredite natürlich auf Francs lauten. Für Norman, der dachte, es sei dem »Prestige« Londons abträglich, auch nur den Anschein zu erwecken, »die Franzosen um einen Gefallen zu bitten«, wäre dies die ultimative Demütigung gewesen. Und so wuchs der französische Goldberg weiter, weil sich der Stolz und die Schwerfälligkeit der Briten und die Selbstsucht und die Arroganz der Franzosen unversöhnlich gegenüberstanden.
Stattdessen entwarf Norman einen grandiosen Plan, der, so wurde behauptet, für eine »Bluttransfusion« zur Heilung der Depression sorgen werde. Eine internationale Bank sollte gegründet werden, eine Art Vorläufer der Weltbank mit Sitz in einem neutralen Land wie der Schweiz oder den Niederlanden und einem Kapital von 250 Millionen Dollar. Sie sollte ermächtigt sein, weitere 750 Millionen Dollar an Krediten aufzunehmen, vor allem in Frankreich und den USA mit ihren hohen Goldvorräten. Dieses Geld sollte an Regierungen und Unternehmen auf der ganzen Welt weitergeleitet werden, wenn sie Kapital benötigten. Norman präsentierte seinen Plan im Februar 1931 beim monatlichen Treffen der BIS in Basel, die zu einer Art Club für Zentralbankiers geworden war. Man versammelte sich dort am Sonntagabend zu einem informellen und privaten Dinner und verbrachte den nächsten Tag mit Verhandlungen. Noch ehe das feierliche Dinner vorbei war – die monatlichen Treffen in Basel sollten zu einem Inbegriff hervorragenden Essens werden –, war klar, dass der Plan zu nichts führen würde. Weder die Franzosen noch die Amerikaner waren dazu bereit, hohe Geldsummen einer internationalen Organisation zu überlassen, die höchstwahrscheinlich von Engländern dominiert würde.
Im folgenden Monat reiste Norman in die USA, die er seit dem Sommer 1929 nicht mehr besucht hatte. Es war offensichtlich, dass ihn die amerikanische Presse in diesen zwei Jahren schmerzlich vermisst hatte. Von Anfang an ließ sie Norman nicht allein, gleich nach der plötzlich angekündigten Mission des Mannes, den die New York Times als »Englands schwer zu fassenden Meisterbankier« und als »Mann der Geheimnisse« bezeichnet hatte, die als vager Hinweis auf eine großartige Initiative zur Aufhebung der weltweiten Depression verstanden wurde. Schon seit seiner Abreise an Bord der Berengaria am 21. März wurde er auf seiner »geheimen Mission« auf Schritt und Tritt verfolgt, und seine
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