Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
krächzenden Stimme« die Diskussion und übernahm 95 Prozent des Gesprächs. Er redete über die Wiederherstellung von Deutschlands Stellung in der Welt, über die Notwendigkeit, die sechseinhalb Millionen Arbeitslosen wieder in Arbeit zu bringen und wie das durch staatliche Maßnahmen zu schaffen sei. Hitler konnte sich gut ausdrücken, sprach ohne jedes »propagandistische Pathos«, war aber offensichtlich »ein geborener Agitator«. Es handelte sich um eine schicksalhafte Begegnung für den faszinierten Bankier.
In seinem richtungweisenden Rückblick auf das Geschehen des Jahres für das Royal Institute of International Affairs verglich Arnold Toynbee die Ereignisse im Sommer 1931 mit dem Sommer 1914. Beide begannen mit relativ unbedeutenden Ereignissen, weitab vom Zentrum der Welt, die dennoch eine Kaskade in Gang setzten, die völlig außer Kontrolle geriet und eine ganze Weltordnung zum Einsturz brachte. 1914 war es die Ermordung des österreichischen Thronfolgers, des Erzherzogs Franz Ferdinand in Sarajewo. 1931 war es der Zusammenbruch der Creditanstalt, der ältesten und größten Bank Österreichs.
Am Freitag, dem 8. Mai, informierte die in Wien ansässige und 1855 von den Rothschilds gegründete Creditanstalt, mit Vermögenswerten von 250 Millionen Dollar und 50 Prozent aller österreichischen Bankkonten die Regierung, sie sei gezwungen für 1930 einen Verlust von 20 Millionen Dollar zu verbuchen, wodurch der größte Teil ihres Eigenkapitals ausgelöscht wurde. Es handelte sich nicht nur um die größte, sondern auch um die angesehenste Bank Österreichs – in ihrem Aufsichtsrat saßen unter dem Vorsitz von Baron Louis de Rothschild aus dem Wiener Zweig der Familie Vertreter der Bank of England, der Guaranty Trust Company aus New York und von M. M. Warburg & Co. aus Hamburg. Nach einem fieberhaften Wochenende mit geheimen Treffen machte die Regierung das Problem am Montag, dem 11. Mai, publik und kündigte gleichzeitig ein Rettungspaket im Volumen von 15 Millionen Dollar an, die sie bei der BIS als Kredit aufnehmen wollte.
Österreich war ein kleines Land mit etwa einem Zehntel der Fläche Deutschlands, weniger als sieben Millionen Einwohnern und einem Bruttoinlandsprodukt von 1,5 Milliarden Dollar. Trotzdem schlug die Nachricht in der Londoner City und in der Bank of England ein wie eine Bombe. Durch einen seltsamen Zufall hielt sich Schacht gerade bei Norman im Thorpe Lodge auf, als die Geschichte bekannt wurde. Harry Siepmann, einer der wichtigsten Berater Normans, der einiges über das Ausmaß des Unheils wusste, das sich hinter den Schlagzeilen verbarg, verkündete: »Ich glaube, das ist es. Und es könnte das ganze Kartenhaus, in dem wir gelebt haben, zum Einsturz bringen.«
Wie viele deutsche Banken tätigte auch die Creditanstalt direkte Investitionen in der Industrie, ähnlich wie ein modernes Private Equity-Unternehmen. Allerdings war sie besonders verwundbar, nicht nur weil sie langfristige und höchst illiquide Investitionen mit kurzfristigen Krediten finanzierte, sondern auch, weil sie ungewöhnlich viele Kredite aus dem Ausland in ihren Büchern hatte; etwa 75 Millionen Dollar, bei Gesamteinlagen von 250 Millionen Dollar.
Im vorangegangenen Jahrzehnt war sie durch die Übernahme einer Reihe gescheiterter kleiner Banken gewachsen, und 1929 hatte die Österreichische Nationalbank sie davon »überzeugt«, die Bodencreditanstalt zu übernehmen, ihren nächstgrößten Rivalen, dessen Verluste sich als gigantisch erwiesen. Um die Creditanstalt für die Rettung des österreichischen Bankensystems zu entschädigen, bei der sie sich die Last einer derart großen bankrotten Institution aufgeladen hatte, schleuste ihr die Nationalbank über Londoner Banken heimlich Geld zu; eine Tatsache, derer sich die Bank of England wohl bewusst war.
Die Ankündigung des Rettungspakets konnte die Situation nicht stabilisieren; vielleicht weil mehr Leute als die Regierung vermutete wussten, wie tief die Probleme reichten. Als die Creditanstalt zwei Jahre später abgewickelt wurde, beliefen sich die Verluste auf insgesamt 150 Millionen Dollar. In den folgenden vier Tagen kam es zu einem Ansturm, nicht nur auf die Creditanstalt, sondern auf alle österreichischen Banken, die Einlagen in Höhe von etwa 50 Millionen Dollar einbüßten, ungefähr zehn Prozent des gesamten Bestands. Um das Bankensystem zu stützen, folgte die Österreichische Nationalbank dem Prinzip Bagehots und vergab großzügig Kredite,
Weitere Kostenlose Bücher