Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
pumpte zusätzliche 50 Millionen Dollar in die Banken, was über Nacht zu einem Anstieg der umlaufenden Geldmenge um 20 Prozent führte.
Norman hatte eine Schwäche für Österreich. Nach dem Krieg hatte er dem Land den ersten Kredit zur Stützung seiner Währung verschafft. Für seine Verdienste um Österreich wurde ihm von Baron Georg von und zu Franckenstein, dem österreichischen Botschafter am Court of Saint James, das Große Goldene Ehrenzeichen verliehen. Da er die bemerkenswerten Vorteile internationaler Telefongespräche nun für sich entdeckt hatte, war er ständig mit Harrison in New York und Luther in Berlin in Verbindung. Da er befürchtete, ein monetärer Zusammenbruch Österreichs werde sich auf die Nachbarländer ausweiten, war er entschlossen, einen internationalen Rettungsversuch in die Wege zu leiten.
Keiner der Zentralbankiers hatte es je mit einer internationalen Finanzkrise zu tun gehabt. Daher mussten sie zunächst improvisieren. Dabei begingen sie zwei Fehler. Angesichts des Ausmaßes des Problems stellten sie viel zu wenig Geld zur Verfügung, und weil sie es für nötig hielten, ein Konsortium zusammenzustellen, das so international wie möglich besetzt war, handelten sie nicht schnell genug. Trotz aller fieberhaften Telefonate brauchten sie drei Wochen, um das Geld aufzutreiben, und auch dann kamen sie nur auf 15 Millionen Dollar.
Als die Kredite endlich vereinbart waren, war das versprochene Geld bereits aufgebraucht; aus dem Ansturm auf die österreichischen Banken war ein Ansturm auf die österreichische Währung geworden. Die Nationalbank verlor 40 Millionen ihrer 110 Millionen Dollar an Goldreserven. Da sie nun mit einem Bankensystem unter Druck und einer bedrohten Währung konfrontiert war, bat sie um weitere 20 Millionen Dollar.
Durch die Politik in dieser Situation wurde die Krise unermesslich verkompliziert. Im März 1930 hatten Deutschland und Österreich verkündet, eine Zollunion bilden zu wollen. Deutschlands Nachbarn, vor allem die Franzosen und die Tschechen, hatten gegen diesen Schritt agitiert, weil sie sich daran erinnerten, dass der Zollverein des 19. Jahrhunderts, die historische Zollunion zwischen den Staaten des Deutschen Bundes, ein Vorspiel zur Vereinigung Deutschlands gewesen war und fürchteten, dies sei der erste Schritt zum Anschluss , der Vereinigung Deutschlands mit Österreich.
Nun sah die französische Regierung ihre Chance gekommen. Sie trug sogar zu deren Entstehung bei, indem sie insgeheim französische Banken dazu aufforderte, Geld aus Österreich abzuziehen. Am 16. Juni wurde die Lage von Stunde zu Stunde verzweifelter. Das Kabinett, das einen Zusammenbruch von Recht und Ordnung in Österreich befürchtete, war knapp davor, einen Bankfeiertag zu verordnen. Österreich wartete immer noch ungeduldig auf den zweiten Kredit, als bekannt wurde, dass Frankreich angeboten hatte, ihn zur Verfügung zu stellen – aber nur, falls Österreich die Zollunion aufgebe. Wie bei einem Ultimatum hatte die österreichische Regierung drei Stunden Zeit für eine Antwort.
Mit dem Rücken zur Wand hätte Österreich vielleicht akzeptiert. Allerdings war Norman in London außer sich vor Empörung über diesen eklatanten Missbrauch der französischen Finanzkraft in einer derart delikaten finanziellen Situation und telegrafierte, die Bank of England werde den Kredit selbst zur Verfügung stellen. Falls er aber annahm, er habe die Panik im Keim erstickt, dann irrte er sich.
Am 5. Juni um 14.30 Uhr rief Thomas Lamont Präsident Hoover an. Gleich nach dem Ausbruch der österreichischen Krise hatte auch Deutschland Goldreserven zu verlieren begonnen. Die Ansteckung erfolgte weniger, weil Deutschland eine große Menge an Kapital in Österreich investiert hatte, sondern war eher eine psychologische Angelegenheit. Die Welt, die nie besonders stark zwischen der Bankensituation in Berlin und der in Wien unterschieden hatte, gelangte schnell zu der Schlussfolgerung, dass bald eine deutsche Bank folgen konnte, wenn die wichtigste Bank Österreichs so große Probleme hatte. Als das Geld aus Deutschland zu fliehen begann, gab es Gerüchte, Berlin werde bald um eine Aussetzung der Reparationszahlungen bitten. Lamont befürchtete, Deutschland werde Devisenkontrollen verhängen, um mit den politischen Unruhen und der folgenden Kapitalflucht fertigzuwerden. Da amerikanische Institutionen etwa eine Milliarde Dollar kurzfristige Kredite an Deutschland hielten, konnte eine solche Maßnahme
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