Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
die Zahlungsfähigkeit mehr als einer amerikanischen Bank bedrohen.
Lamont sagte, er werde eine Anregung geben, die der Präsident »mit hoher Wahrscheinlichkeit abschmettern« werde, und schlug vor, der Präsident solle die vorübergehende Aussetzung aller Kriegsschuld- und Reparationszahlungen einseitig anordnen. Kein europäisches Land konnte diese Idee vorbringen, weil es damit sofort seine eigene Kreditwürdigkeit in Frage gestellt hätte, indem es, wie er es formulierte, seinen Gläubigern mitteilte, dass »das Spiel aus ist.« Nur die Vereinigten Staaten waren in der Lage, hier die Führung zu übernehmen. Zunächst war Hoover unentschlossen. »Ich werde darüber nachdenken«, sagte er Lamont, »aber politisch ist es ganz unmöglich. Sie sitzen in New York und haben keine Vorstellung, wie das Land allgemein über diese Schulden zwischen Regierungen denkt. … Der Kongress beobachtet, dass Frankreich viel Gold anhäuft und seine Rüstungsausgaben erhöht. …«
Lamont versuchte Hoover davon zu überzeugen, dass eine solche Maßnahme ihm politisch helfen werde. Es gebe »viele Leute, die über die Parteiversammlung 1932 flüstern«, warnte er, und eine solche dramatische Aktion werde Zweifel über die Führungsqualitäten des viel kritisierten Präsidenten zum Verstummen bringen. Er endete mit der üblichen beiläufigen Bemerkung, die man übernahm, wenn man Seniorpartner bei J. P. Morgan & Co. war: »Noch eine letzte Sache, Herr Präsident: Wenn irgendetwas aus diesem Vorschlag werden sollte, möchten wir in diesem Zusammenhang nicht genannt werden. Dies ist ganz allein ihr Plan.« Als Reaktion auf Lamonts Anruf rief Hoover noch am selben Nachmittag seine drei wichtigsten Berater zu sich – den Außenminister Henry Stimson, den Finanzminister Andrew Mellon und dessen Stellvertreter Ogden Mills –, um ein Moratorium nach Lamonts Vorschlag auszuarbeiten. Mellon erklärte seine »uneingeschränkte Ablehnung« einer solchen Maßnahme, fuhr aber gleich am nächsten Tag nach Europa in Urlaub.
Stimson allerdings war begeistert. Als echter amerikanischer Aristokrat war er der Sohn einer reichen New Yorker Familie, hatte Studienabschlüsse der Philips Academy in Andover, aus Yale und von der Harvard Law School, war Mitglied von Skull and Bones und Partner der vornehmen Anwaltsfirma Root and Clark in Manhattan und damit einer der ersten weisen Männer dieser Gattung in der Wall Street. Er brachte einen viktorianischen Sinn für Schicklichkeit ins Außenministerium – er und seine Frau weigerten sich zum Beispiel, geschiedene Personen in ihrem Haus zu empfangen –, sowie eine stark anti-isolationistische internationale Perspektive. Er war so eifrig dabei, die Verständigungsbereitschaft zwischen den Nationen zu fördern, dass er, als er 1929 entdeckte, dass die »Schwarze Kammer« des Außenministeriums routinemäßig die verschlüsselte Kommunikation zwischen ausländischen Botschaften und ihren Regierungen in der Heimat knackte, diese Praxis sofort beendete. Später erklärte er, dass »Gentlemen nicht die Briefe anderer Leute lesen.« Er verließ sich auf George Harrison von der New Yorker Fed, wie er selbst Mitglied von Skull an Bones und Internationalist, der ihn hinsichtlich der Weltfinanzen beriet, und hatte sich schon seit seiner Amtsübernahme dafür eingesetzt, die Kriegsschulden zu erlassen.
Am selben Tag als Hoover seinem Kabinett ein Moratorium vorschlug, hatte Brüning seine eigene Initiative gestartet. Am 5. Juli enthüllte er ein neues Paket von Sparmaßnahmen. Es enthielt eine weitere Gehaltskürzung der Beamten, eine Reduzierung der Arbeitslosenunterstützung und neue Steuern. Um die bittere Pille zu versüßen, begleitete Brüning die Maßnahmen mit einem Manifest. Sensationell und provokativ im Ton kündigte die deutsche Proklamation an, dass »die Grenze der Entbehrungen, die wir der Nation auferlegen können, erreicht ist.« Die ökonomischen Annahmen, auf denen der Young-Plan beruhte, hätten sich als falsch erwiesen, und daher »musste Deutschland von den unerträglichen Reparationen« und »Tributzahlungen«, zu denen es verpflichtet war, befreit werden.
Am selben Wochenende stattete Brüning dem britischen Premierminister Ramsay MacDonald einen schon seit Langem geplanten Besuch ab. Die deutsche Delegation verbrachte das Wochenende in Chequers, dem offiziellen Landsitz des Premierministers in Kent, wo sich Norman am Sonntag, dem 7. Juni, der Gruppe anschloss. Nach einem gemütlichen
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