Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
Konferenz ein trauriges Ende. Warburg gab seinen Posten desillusioniert auf und sagte: »Wir bewegen uns auf Gewässer zu, für die ich keine Seekarte habe, und in denen ich folglich absolut inkompetent wäre.«
Roosevelt war allerdings noch nicht am Ziel. Im Oktober 1933 sanken die Rohstoffpreise erneut, und es kam zu einer Wirtschaftskrise, obwohl der Wechselkurs des Dollars um mehr als 30 Prozent gefallen war. Nach Roosevelts Überzeugung war der richtige Zeitpunkt für eine neue Initiative gekommen. Warrens Vorschlag, den Dollar abzuwerten, war schon kontrovers genug gewesen. Nun aber empfahl der Professor, den Dollar durch Goldkäufe am freien Markt noch ein wenig weiter nach unten zu drücken.
Am 22. Oktober teilte Roosevelt der Nation in einem weiteren der vom Rundfunk übertragenen Kamingespräche mit: »Ganz allgemein unterliegt unser Dollar zu großen Einflüssen durch die Wechselfälle des internationalen Handels, durch interne politische Maßnahmen anderer Nationen und politische Unruhen auf anderen Kontinenten. Daher müssen die Vereinigten Staaten den Wechselkurs des Dollars gegenüber dem Gold fest in die eigenen Hände nehmen.« Das erste Kamingespräch hatte ein kompliziertes Thema auf einfache Weise erklärt, aber dieses Kamingespräch war ein Meisterstück der Vernebelung. Am folgenden Tag begann die Regierung Gold zu kaufen.
Jeder einzelne der Wirtschaftsberater des Präsidenten war gegen eine solche Politik. Minister Woodin war unheilbar an Krebs erkrankt, und sein Stellvertreter Acheson nahm nun seine Aufgaben wahr. Der pedantische Acheson dachte zwar, die neuen politischen Maßnahmen seien eigentlich gesetzeswidrig, hielt seine Einwände aber zwischenzeitlich in der Hoffnung zurück, damit noch schlimmere Maßnahmen verhindern zu können. Dennoch dachte er über einen Rücktritt nach, ehe Roosevelt ihn feuerte, weil er irrtümlicherweise annahm, Acheson sei die Quelle kritischer Zeitungsberichte über die Goldkäufe gewesen. Überraschenderweise wurde Henry Morgenthau, der Mann, der George Warren nach Washington gebracht hatte, zum geschäftsführenden Finanzminister ernannt. Einige Wochen später erklärte Professor Sprague seinen Rücktritt aus dem Finanzministerium. Zweifellos war er enttäuscht darüber, dass sein früherer Student die Grundlagen der Währungswirtschaft nicht verstanden hatte.
An jedem Vormittag um 9.00 Uhr trafen sich Jesse Jones, der Leiter des RFC, und George Warren mit dem Präsidenten zum Frühstück – Roosevelt hatte eine Vorliebe für weich gekochte Eier –, um den Goldpreis für den jeweiligen Tag festzulegen. Sie fingen mit 31,36 Dollar je Unze an. Am nächsten Morgen gingen sie bis auf 31,54 Dollar hoch, später auf 31,76 und 31,82 Dollar. Niemand hatte die blasseste Ahnung, wie sie diesen Preis festsetzten, obwohl jeder annahm, subtile Analysen der Gold- und Devisenmärkte flössen in ihre Berechnungen ein. In Wahrheit verlief die Preisfindung völlig willkürlich. Sie versuchten lediglich, den Preis ein wenig höher zu drücken als am Tag zuvor. Diese Praxis brachte auch das kindische Temperament Roosevelts ans Tageslicht. Eines Tages entschied er sich für eine Erhöhung um 21 Cents. Als man ihn nach dem Grund fragte, meinte er, es handele sich um seine Glückszahl: drei mal sieben.
Natürlich wollte jeder mehr über den geheimnisvollen »hirnrissigen« Wirtschaftswissenschaftler erfahren, von dessen Theorien Roosevelt derart begeistert war. Sehr zum Unwillen des öffentlichkeitsscheuen Warren erschien sein Porträt auf dem Titelblatt des Magazins Time . Irgendwann schafften es die Reporter, dem Professor auf die Spur zu kommen, der seine Lehrtätigkeit in Cornell vorübergehend aufgegeben hatte. Er wohnte im Cosmos Club in Washington und arbeitete von dort aus mit einer geheimen Telefonnummer. In seinem Büro gab es keine Akten. Er trug in seiner Aktentasche sämtliche Daten mit sich und verwendete ausschließlich die Nebenausgänge des Weißen Hauses. Wenn jemand an der Tür klopfte, lautete die Antwort: »Er ist nicht da.«
Es gab eine Brücke zwischen der Regierung und den Märkten. Harrison von der New Yorker Fed musste die Goldkäufe durchführen. Exakt dies war das Problem: Harrison war ein Mann, der in dem Glauben aufgewachsen war, nichts sei so unantastbar wie der Wert der Währung. Er war ein Zögling der wichtigsten Architekten des Goldstandards nach dem Krieg – und ausgerechnet ihn forderte man nun dazu auf, im Rahmen einer politischen
Weitere Kostenlose Bücher