Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
aus Tennessee. Keiner von ihnen hatte je an einer internationalen Konferenz teilgenommen, die meisten wussten wenig bis nichts über wirtschaftliche Themen und drei von ihnen waren Isolationisten, die fest vom Scheitern der Konferenz überzeugt waren.
Die Konferenz wurde am 12. Juni im Geologischen Museum in South Kensington eröffnet. Von den 67 eingeladenen Nationen kamen alle bis auf eine – das arme kleine Panama antwortete, dass es seine Delegierten nicht bezahlen könne. Teilnehmer an der Konferenz waren ein König – Feisal aus dem Irak – acht Premierminister, 20 Außenminister, 80 andere Kabinettsmitglieder und Zentralbankchefs. Selbst Auslandskommissar Maxim Maximowitsch Litwinow aus der Sowjetunion, die sich fast völlig von der Weltwirtschaft abgeschottet hatte, nahm teil.
Was das Prestige betraf, konnten die amerikanischen Delegierten mit solchen Berühmtheiten wohl nicht mithalten, aber dafür lieferten sie sehr viel Gesprächsstoff. Hier tat sich vor allem Senator Pittman hervor. Anlässlich eines offiziellen Empfangs im Windsor Castle durchbrach er sämtliche Konventionen, indem er seinen Regenmantel und knallgelbe Schuhe trug, als er König George V. und Königin Mary vorgestellt wurde. Er begrüßte sie mit den Worten: »König, ich freue mich, Sie zu sehen. Und Sie auch, Königin.« Meistens war er betrunken, aber dennoch beeindruckte er jeden damit, dass er mit bemerkenswerter Treffsicherheit selbst aus großer Entfernung Tabaksaft in einen Spucknapf spucken konnte. Eines Nachts fanden ihn die Reinigungskräfte im Claridges-Hotel splitternackt im Waschbecken des Vorratsraums sitzend, und er behauptete, er sei die Statue in einem Springbrunnen. An einem anderen Abend amüsierte er sich damit, die Straßenlampen in der Upper Brook Street mit seiner Pistole auszuschießen. Ein einziges Thema lag ihm wirklich am Herzen: Die Wiedereinführung von Silber in den Währungskreislauf. Nevada war einer der bedeutendsten Silberproduzenten, und dieses Thema war ihm so wichtig, dass er eines Abends, als ein amerikanischer Experte sich gegen Silber ausgesprochen hatte, eine Pistole hervorzog und den armen Mann durch die Gänge des Claridges-Hotels jagte. Der Kongressabgeordnete McReynolds wiederum interessierte sich kaum für die Konferenz und nahm auch nur sehr selten an Besprechungen teil. Er war vielmehr daran interessiert, seine Tochter am königlichen Hof einzuführen. Einmal drohte er dem Privatsekretär des Premierministers, die amerikanische Delegation werde abreisen, sollte die ersehnte Einladung aus dem Palast ausbleiben.
Zur ersten großen Auseinandersetzung der Konferenz kam es, als es um den Vorsitz ging. Vor ihrer Abreise hatte man die amerikanischen Delegierten im Glauben gelassen, der Vorsitz sei ihnen versprochen. In London stellten sie fest, dass der französische Finanzminister Georges Bonnet diesen Posten begehrte. Letztlich ging es bei dieser Konferenz ja um internationale Währungsfragen, und Frankreich hielt als einziges bedeutendes Land nach wie vor am Goldstandard fest. »Da Washington sich der Abwertung verpflichtet hat, können wir keinen Amerikaner als Vorsitzenden der Konferenz akzeptieren«, erklärte Bonnet. »Da es Frankreich offenbar auf eine Art von Vergeltung abgesehen hat«, antwortete James Cox in Anspielung darauf, dass Frankreich seine Kriegsschulden nicht bezahlt hatte, »werden wir keinen Franzosen akzeptieren.« Von nun ab ging es nur noch bergab.
An den ersten Tagen der Konferenz, als sich mehr als 1 000 Menschen in das kleine und schlecht durchlüftete Museum zwängten, durfte jede Teilnehmernation eine 15-minütige Begrüßungsansprache halten. Inklusive Übersetzungen dauerte diese Prozedur vier volle Tage. Zur Unterstützung der amerikanischen Delegation war ein Team von Finanzexperten angereist. Dazu gehörten Warburg, Harrison und Oliver Sprague, Professor für Wirtschaftswissenschaften in Harvard, ehemaliger Lehrer Roosevelts, langjähriger Berater der Bank of England und nun Berater des amerikanischen Finanzministeriums. Sie alle waren in dem Glauben nach London gekommen – vielleicht auch, weil sie dies glauben wollten –, der Präsident habe sie dazu ermächtigt, ein Arrangement zur Stabilisierung der Währungen zu vereinbaren. Aber als sie feststellten, dass eine Debatte über die wichtigsten Währungen vor 1 000 Delegierten schnell ins Leere führen würde, entschlossen sie sich zu einer internen Diskussion. Unter Führung der drei wichtigsten
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