Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
Bankier; 1895 hatte er die amerikanische Regierung gerettet, der innerhalb weniger Tage das Gold auszugehen drohte, wonach sie ihre Schulden in Europa nicht mehr hätte bedienen können. Obwohl J. P. Morgan & Co. keineswegs die größte Bank des Landes war, hatte sich Pierpont Morgan eine außergewöhnliche Aura der Autorität erworben, die ihm das Recht gab, ja ihn sogar dazu verpflichtete, in Finanzkrisen das Kommando zu übernehmen. Dabei war hilfreich, dass man ihn nicht nur für reich, sondern für extrem reich hielt – wie die Rockefellers, die Vanderbilts oder Andrew Carnegie –, und dass er mit seinem wilden Blick und seinen schrecklichen Wutanfällen die meisten Leute einschüchterte – einschließlich seiner eigenen Partner. Später sollte sich herausstellen, dass das erste dieser Attribute übertrieben war, denn er war nicht annähernd so reich, wie die meisten Leute glaubten. Als er 1913 starb, hinterließ er ein Erbe, das damals 80 Millionen Dollar wert war. John D. Rockefeller, der selbst eine Milliarde Dollar besaß, soll darüber den Kopf geschüttelt und gesagt haben: »Wenn man sich vorstellt, dass er nicht einmal ein reicher Mann war!«
Morgan versammelte schnell die allerbesten Bankiers um sich, die ihm bei den Rettungsbemühungen helfen sollten. Davison und Strong waren dabei seine wichtigsten Mitarbeiter. Sie entsprachen genau dem Typ junger Männer, mit dem er sich gern umgab: athletisch, gutaussehend, entscheidungsfreudig und voller Selbstvertrauen. Die Einsatzgruppe hatte zwei Aufgaben. Die erste, um die sich Davison und Strong kümmerten, war die Entscheidung, welche der in die Turbulenzen verwickelten Banken man retten und welche man untergehen lassen sollte. Die zweite, der sich Morgan selbst annahm, war es, das nötige Geld für die Rettungsaktion zu besorgen. Anfang November hatte Morgan die Panik nicht mehr unter Kontrolle, obwohl er selbst drei Millionen Dollar investiert, von den anderen Banken mehr als acht Millionen Dollar eingesammelt und dem Leiter des Schatzamts die Garantie abgerungen hatte, 25 Millionen Dollar zur Verfügung zu stellen. Sogar John D. Rockefeller senior hatte er dazu gebracht, zehn Millionen Dollar zu investieren. Dennoch zogen die Kunden weiterhin ihre Guthaben ab, und eines der größten Trustunternehmen des Landes mit Einlagen von mehr als 100 Millionen Dollar stand am Rand des Zusammenbruchs.
In der Nacht zum Sonntag, dem 3. November, versammelte Morgan schließlich die Präsidenten der wichtigsten New Yorker Banken in seiner neuen Bibliothek an der Kreuzung von Madison Avenue und 36. Straße. Er hatte den Palast im Stil der italienischen Renaissance gleich neben seinem Haus erbaut, um seine Sammlung seltener Bücher, Manuskripte und anderer Kunstwerke auszustellen. Die Marmorböden, die mit Fresken bedeckten Zimmerdecken, die mit Wandteppichen bedeckten Wände und die Bücherregale aus Walnussholz, voller seltener Bibelausgaben und illustrierter Manuskripte aus dem Mittelalter, machten die Bibliothek zu einem unpassenden Ort für ein Treffen der führenden Bankiers. Als die Geldverwalter versammelt waren, ließ Morgan die verzierten Bronzetüren der Bibliothek schließen und ließ keinen der Teilnehmer gehen, ehe sie sich nicht alle darauf geeinigt hatten, weitere 25 Millionen Dollar in den Rettungsfonds zu stecken.
Die Panik 1907 zeigte deutlich, wie fragil und verletzlich das Bankensystem des Landes war. Obwohl man die Panik schließlich durch Morgans entschlossenes Eingreifen in den Griff bekam, wurde doch klar, dass die USA es sich nicht leisten konnten, sich darauf verlassen, dass ein einzelner Mann ihre Stabilität garantierte. Vor allem weil dieser Mann bereits 70 Jahre alt war und sich schon halb aufs Altenteil zurückgezogen hatte. Zudem konzentrierte er sich vor allem darauf, eine einzigartige Kunstsammlung aufzubauen und auf seiner Yacht mit einer Schar wesentlich jüngerer Gespielinnen Regionen mit angenehmerem Klima zu bereisen.
Durch die Krise erschüttert entschloss sich der amerikanische Kongress zur Tat. 1908 wurde die National Monetary Commission gebildet, die aus neun Senatoren sowie neun Abgeordneten bestand und von Senator Nelson Aldrich geleitet wurde. Sie sollte eine umfassende Studie des Bankensystems erstellen und Empfehlungen vorlegen, wie man es reformieren könnte. In den folgenden Jahren produzierte die Kommission umfangreiche Studien über das Zentralbankensystem in Europa, aber auch nicht viel mehr. Allmählich
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