Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Titel: Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaquat Ahamed
Vom Netzwerk:
Mississippi-Spekulationsblase und dann noch einmal mit den während der Revolution ausgegebenen Banknoten. Daher hatten sie ein gesundes Misstrauen gegen Banken und alle metallischen Währungen, mit Ausnahme der allerhärtesten, entwickelt. Bei den ersten Anzeichen von Problemen verschwanden die Goldmünzen in den zahllosen bas de laine , den sprichwörtlichen langen Wollstrümpfen, in denen angeblich jeder französische Bauer seinen kleinen Goldschatz unter der Matratze hortete, oder in den Tresoren der Notare, wo das französische Bürgertum seine Ersparnisse aufbewahrte.
    Am 28. Juli um 21.30 Uhr wurde nach acht Verhandlungstagen Madame Caillaux von einer ausschließlich aus Männern bestehenden Jury mit elf zu einer Stimme freigesprochen. Die Geschworenen waren der Ansicht, sie sei über die Enthüllungen in Le Figaro auf derart unkontrollierbare Weise verzweifelt gewesen, dass sie zur Gewaltanwendung getrieben worden war. Der Mord war daher als crime passionel zu werten, als Verbrechen aus Leidenschaft. Trotz aller Dramatik wurde das Urteil als enttäuschend empfunden. Vor dem Justizpalast kam es zu Kämpfen, und ein großes Polizeikontingent musste eingreifen, um die royalistischen Ultras der Action Française zu zerstreuen, die Caillaux hassten. Aber die meisten Pariser interessierte es nun mehr, wie sie ihre Einkäufe bezahlen sollten. Gold- oder Silbermünzen waren schwer zu bekommen. Die Geschäfte, auch die Cafés, akzeptierten keine Banknoten mehr, und sogar in den berühmten Markthallen von Paris lief nichts mehr.
    Um 4.00 Uhr am nächsten Morgen versammelten sich etliche Hundert Menschen vor der Banque de France, um ihre Banknoten in Gold zu tauschen. Am Nachmittag schwoll die Menge auf mehr als 30 000 Menschen an. Die Schlange reichte über fast fünf Kilometer entlang der Seitenstraßen rund um das Hotel du Toulouse, wo die Bank ihr Hauptquartier hatte, entlang der Rue de Radziwill, vorbei am Palais Royal und die Rue de Rivoli hinauf bis zum Jardin des Tuileries. 250 Polizisten sorgten für Ordnung. Der Reporter der Times war von der Szenerie überwältigt: »Menschen aus allen Gesellschaftsschichten standen in dieser unübersehbaren Schlange, und es war bezeichnend für die allgemeine Sparsamkeit der Franzosen, dass zahlreiche sehr bescheiden aussehende Menschen offensichtlich Ersparnisse hatten, die sie nun bei der Nationalbank abheben wollten.«
    Die Bank gab bekannt, sie sei dazu bereit, so lange wie erforderlich Gold auszuzahlen. Schließlich verfügte sie über die größten Goldvorräte der Welt. 1897 hatte der neue Zentralbankchef Georges Pallain seine Mitarbeiter um sich versammelt, um ihnen zu sagen, es sei die Pflicht der Bank, sich für »alle Eventualitäten« vorzubereiten. Das war sein Codewort für einen Rachekrieg gegen Deutschland, um die Katastrophe von 1870 zu revidieren. Unter Pallain hatte die Banque de France damit begonnen, stetig Gold zu akkumulieren. Immer wenn die Goldvorräte der Reichsbank stiegen, war ihr die Banque de France noch einen Schritt voraus – eine Art Wettrüsten mit Gold. Im Juli 1914 verfügte die Bank über Vorräte im Wert von 800 Millionen Dollar.
    Die französische Zentralbank hatte diesen Berg von Edelmetall allerdings nicht so sorgfältig aufgebaut, um dann zuzusehen, wie er in den Händen der eigenen nervösen Bürger verschwand. Dieser Goldschatz war dazu gedacht, dem Staat bei einer nationalen Anstrengung zur Verfügung zu stehen. Seit mehr als zehn Jahren bewahrte jeder Leiter einer der mehr als 250 Zweigstellen in seinem Safe, und zwar an einem Platz, der »immer leicht zugänglich« sein sollte, einen geheimen Briefumschlag auf, der nur im Fall einer allgemeinen Mobilmachung geöffnet werden durfte. In diesem Umschlag befand sich »Le Circulaire Bleu«.
    Auf graublauem Papier mit Gouverneur Pallains Unterschrift standen die Instruktionen an die Manager für den Kriegsfall. Bei einer allgemeinen Mobilmachung sei jeder Filialdirektor mit »immensen und gefährlichen Pflichten« konfrontiert. Er sollte diese »schreckliche Prüfung« mit »Ruhe, Wachsamkeit, Initiative und Stärke« bewältigen. Die erste und unmittelbare Aufgabe bestand darin, die Auszahlung von Gold sofort zu stoppen. Sollte die Stadt, in der die Filiale lag, in die Hände des Feindes fallen, sollte der Direktor die ihm anvertrauten Wertgegenstände »mit all seiner Autorität und Energie« verteidigen. Daher wurden die französischen Goldreserven auf der Stelle eingefroren, als

Weitere Kostenlose Bücher