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Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Titel: Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaquat Ahamed
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am Samstag, dem 1. August, um 16.00 Uhr die Generalmobilmachung angeordnet wurde.
    Eine Stunde später war es schon nicht mehr möglich, in Paris ein Taxi zu bekommen. Alle öffentlichen Verkehrsmittel – Autos, Lkws und Busse – waren für den Truppentransport beschlagnahmt worden. Nur zu Fuß konnte man sich noch fortbewegen. Innerhalb von 24 Stunden kamen alle öffentlichen Dienstleistungen zum Stillstand, weil sich sämtliche gesunden Männer zu den Bahnhöfen aufmachten, dem Gare du Nord und dem Gare de l’Est. Selbst die großartigsten Hotels wie das Ritz und das Crillon hatten keine Kellner mehr; das Essen wurde von den Zimmermädchen serviert.
    Innerhalb weniger Tage nach Kriegsausbruch legte sich, bei herrlichster Augustsonne, eine unnatürliche Ruhe über die Stadt. Die großen Kaufhäuser, für die Paris berühmt war, waren menschenleer. Es gab keinen Straßenverkehr – die Busse waren an die Front verschwunden, und die Métro fuhr nur sporadisch. Theater und Kinos waren geschlossen, die Cafés schlossen um 20.00 Uhr und die Restaurants um 21.30 Uhr. Noch vor Ende des Monats hatten alle Ausländer die Stadt verlassen, und die großen Hotels standen leer.
    Ende August wurde diese Stille erschüttert. Die deutsche Armee war in einer großen Flankenbewegung um den linken Flügel der französischen Streitkräfte herum schnell durch Belgien und Nordfrankreich vorgedrungen, und am 29. August stand sie nur noch etwa 40 Kilometer vor der Stadt. In Paris hörte man Kanonendonner, und es gab Gerüchte, in den Außenbezirken seien schon deutsche Soldaten gesehen worden. Am nächsten Tag, einem Sonntag, kreiste ein einzelnes deutsches Flugzeug über der Stadt und warf in der Nähe des Gare de l’Est drei Bomben ab, die mit Bleikugeln gefüllt waren. Verletzt wurde niemand. Am Montag flog ein zweites Flugzeug über die Dächer und warf seine Bomben in der Nähe der Rue Quatre Septembre ab, angeblich, um die Banque de France zu treffen. Wieder gab es nur ein paar zerbrochene Fensterscheiben.
    Nur wenige Leute – und ganz bestimmt nicht die Deutschen – wussten zu diesem Zeitpunkt, dass am 18. August, als die Invasoren noch 350 Kilometer entfernt in der Nähe von Brüssel standen, die Banque de France bereits ihren Notfallplan in Gang gesetzt hatte. Schließlich war Paris in den 100 Jahren zuvor drei Mal in die Hände von Ausländern gefallen. Die Goldreserven – 38 800 Goldbarren und zahllose Säcke mit Goldmünzen, die einen Wert von 800 Millionen Dollar repräsentierten und etwa 1 300 Tonnen wogen – waren unter äußerster Geheimhaltung per Bahn und Lkw zu vorbereiteten Lagerplätzen im Zentralmassiv und in Südfrankreich gebracht worden. Diese groß angelegte logistische Operation ging völlig unbemerkt vonstatten, bis einer der Züge, die Goldmünzen transportierten, in Clermont-Ferrand entgleiste. 500 Männer waren nötig, um ihn wieder auf die Gleise zu schaffen, das Geld einzusammeln und neugierige Zuschauer fernzuhalten. Anfang September waren die Tresorgewölbe der Banque de France in Paris leer.
    6. Die Generäle des Geldes
    Zentralbanken: 1914 bis 1919
    Endlose Geldströme finanzieren den Krieg.
    Cicero, Philippica
    Als in dieser schicksalhaften ersten Augustwoche die Lichter über Europa zu erlöschen begannen, schienen sich alle Bankiers und Finanzminister nicht auf militärische Vorbereitungen oder die Bewegungen von Armeen zu konzentrieren, sondern auf den Umfang und die Dauerhaftigkeit der eigenen Goldvorräte. Diese Besessenheit mutete geradezu mittelalterlich an. Schließlich schrieb man das Jahr 1914, nicht 1814. Seit mehr als zwei Jahrhunderten war Papiergeld weit verbreitet, Kaufleute und Händler hatten höchst ausgeklügelte Kreditsysteme entwickelt. Die Vorstellung scheint anachronistisch, der Rahmen des Krieges hänge von den verfügbaren Goldvorräten ab. Trotzdem verkündete die Londoner Zeitschrift United Empire , »die Menge von Goldmünzen und Goldbarren im Besitz der großen Mächte auf dem Kontinent beim Ausbruch der Feindseligkeiten« werde »die Intensität … und die wahrscheinliche Dauer des Krieges« größtenteils bestimmen.
    Die Konzentration auf das prosaische Thema der Bankreserven war ein Symptom der allgemeinen Sorglosigkeit, die in diesen ersten Kriegsmonaten herrschte. Trotz der Massenhysterie auf den Straßen von Berlin, Paris und London war die allgemeine Atmosphäre seltsam unwirklich. Niemand verstand so richtig, worum es in diesem Krieg ging oder warum er

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