Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
die Unbeschwertheit der ersten Monate verschwand. Sogar 1916 gab es noch das Dogma, der Krieg werde kurz sein, weil ein General nach dem anderen den Sieg innerhalb der nächsten sechs Monate vorhersagte. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die fünf bedeutendsten Großmächte Europas – Großbritannien, Frankreich, Russland, Deutschland und Österreich-Ungarn – in jedem Monat die enorme Summe von drei Milliarden Dollar ausgegeben, fast 50 Prozent ihres aufsummierten Bruttoinlandsprodukts. Kein anderer Krieg hatte jemals gleichzeitig den Wohlstand so vieler Nationen verschlungen.
Die Länder brachten diese Finanzmittel auf unterschiedliche Weise auf, aber es gab einige Gemeinsamkeiten. Einen solchen gigantischen Krieg allein über Steuern zu finanzieren, hätte die Steuersätze auf konfiskatorische Höhen getrieben und war daher nicht möglich. Von keiner Regierung wurde dies auch nur versucht, und aus diesem Grund entfiel nur ein kleiner Bruchteil des neu besorgten Geldes auf Steuern. Stattdessen verschuldeten sich die kriegführenden Länder. Und sobald jedes Kreditpotenzial ausgeschöpft war, bedienten sie sich einer Technik, die fast so alt ist wie der Krieg selbst: Inflation. Dazu wandten sich die Regierungen an ihre Zentralbanken, wobei komplizierte Bilanzierungstricks angewendet wurden, um den Vorgang zu vertuschen. Sie gingen also nicht vor wie Könige im Mittelalter, die den gleichen Zweck verfolgten, indem sie die Ränder von Gold- und Silbermünzen abschaben ließen – eine Praxis, die als »Clipping« bekannt wurde – oder Münzen aus billigeren Legierungen herausgaben, was einer Entwertung entsprach. Die Zentralbanken wiederum gaben das bewährte Prinzip auf, nur durch Gold gedeckte Währung in Umlauf zu bringen. Sie druckten einfach Geld.
Sehr, sehr zögerlich
Von allen kriegführenden Ländern in Europa betrieb Großbritannien noch die verantwortungsvollste Finanzpolitik, weil es seine Geschichte fiskalischer Sorgfalt nicht einfach aufgeben wollte. In den vier Jahren der Kämpfe gab die Regierung insgesamt 43 Milliarden Dollar für Kriegszwecke aus. Darunter waren elf Milliarden Dollar Kredite, die an die ärmeren Verbündeten ausgereicht wurden, hauptsächlich an Frankreich und Russland. Um das alles zu finanzieren, besorgte sich das Land etwa neun Milliarden Dollar oder 20 Prozent durch zusätzliche Steuern und fast 27 Milliarden durch langfristige Kredite, sowohl auf dem heimischen Markt als auch in den USA. Der Rest waren Bankkredite, einschließlich einer großen Summe von der Bank of England. Folglich verdoppelte sich innerhalb von vier Jahren die Menge des umlaufenden Geldes in Großbritannien – und die Preise verdoppelten sich ebenfalls.
Sich an die Bank of England um Geld zu wenden, war keine derart unerhörte Vorgehensweise, wie Londoner Bankiers glaubten, die noch mit den Finanzprinzipien des 19. Jahrhunderts aufgewachsen waren. Tatsächlich war die Bank ursprünglich nicht zur Währungsregulierung, sondern zur Kriegsfinanzierung gegründet worden. 1688 wurde James II., der letzte katholische König von England und Schottland, vom Thron gejagt. Er hatte sich einem großen Teil seines Volkes entfremdet, indem er versuchte, den Katholizismus wieder als offizielle Religion des Landes einzuführen. An seiner Stelle forderte das Parlament seine Tochter Maria und deren Mann William von Oranien auf, die Krone zu übernehmen. Beide waren Protestanten. James fand Zuflucht am Hof Ludwigs XIV. in Frankreich. Dieser nutzte die »glorreiche Revolution« als Vorwand, einen Krieg gegen England anzuzetteln.
1694, nach einigen Jahren der Kämpfe gegen ein wesentlich größeres Land, war England beinahe bankrott. Eine Gruppe von Londoner Kaufleuten, sämtlich Protestanten und zum großen Teil französische Hugenotten, die erst vor kurzer Zeit Frankreich verlassen mussten, weil Ludwig XIV. sich geweigert hatte, das Toleranzedikt für Protestanten zu verlängern, wendete sich an den Schatzkanzler Charles Montagu. Sie boten an, der Regierung auf unbegrenzte Zeit 1,2 Millionen Pfund zu einem Zinssatz von acht Prozent zu leihen. Im Gegenzug verlangten sie die Ermächtigung zur Gründung einer Bank, die das Recht hatte, 1,2 Millionen Pfund in Banknoten zu emittieren – die erste offiziell abgesegnete Papierwährung in England – und die Ernennung zur einzigen Bank der Regierung. Montagu, der unbedingt Geld brauchte, akzeptierte den Vorschlag sofort. Noch vor Ende des Jahres nahm die neue Bank unter dem
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