Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
Großgrundbesitzer aus als wie ein wichtiger Mann aus der City. Im Lauf der Jahre war er immer eigensinniger und launenhafter in seinen Entscheidungen geworden. Er hatte eine übertriebene Einschätzung seiner eigenen Bedeutung als Gouverneur entwickelt; dies ging so weit, dass er darauf bestand, sein Status erfordere es, Verhandlungen mit der Regierung nur mit dem Premierminister persönlich und nicht einmal mit dem Finanzminister zu führen.
1917 war Cunliffe extrem wütend über die seiner Meinung nach arrogante Art, wie er von den Offiziellen des Schatzamts behandelt wurde. Der wichtigste Missetäter war dabei seiner Ansicht nach kein anderer als der auf brillante Weise impertinente junge Emporkömmling Maynard Keynes. Cunliffe war in der City als Mann weniger Worte und noch beschränkterer Intelligenz bekannt, als Rüpel, der zuerst handelte und erst später nachdachte. In einem Wutanfall schickte er, ohne die anderen Direktoren zu informieren, ein Telegramm an die kanadische Regierung, die damals die britischen Goldreserven in Nordamerika verwaltete, und verbot ihr, weitere Instruktionen des Schatzamts in London zu befolgen. Die britische Regierung geriet dadurch fast in die peinliche Situation, am Höhepunkt des Weltkriegs die Rechnungen ihrer amerikanischen Lieferanten nicht bezahlen zu können.
Lloyd George, damals Premierminister und mit Recht wütend, zitierte Cunliffe in die Downing Street Nr. 10, wies den Gouverneur zurecht und drohte, »die Bank zu übernehmen.« Nach einigen delikaten Verhandlungen hinter den Kulissen des Protokolls schrieb Cunliffe dem Finanzminister einen Brief, der so kriecherisch war, wie es die Wahrung der Form gerade noch zuließ. Er bat ihn, »meine uneingeschränkte Entschuldigung für alles anzunehmen, mit dem ich Sie beleidigt habe.« Cunliffe, dem man wegen des Kriegs und gegen jede Tradition für eine zweite Amtszeit nominiert hatte, wurde nicht mehr ernannt.
Während des Kriegs stieg die Bedeutung der Bank als Garantin und Vertreiberin von Staatsanleihen immer mehr, und ihre wenigen Führungskräfte hatten Arbeit und Verantwortung, die kaum noch zu bewältigen waren. 1915 forderte der stellvertretende Gouverneur Brian Cockayne Montagu Norman dazu auf, sein Berater zu werden. Obwohl es sich um eine informelle und unbezahlte Position handelte, akzeptierte Norman sofort, weil er nach seinem Abschied von Brown Shipley nicht recht wusste, was er mit sich anfangen sollte. Er war 1907 im Alter von 36 Jahren in den Verwaltungsrat der Bank eingetreten, allerdings hauptsächlich aus Gründen der Tradition – für einen Partner bei Brown Shipley war es üblich, Mitglied des Rats zu sein. In den ersten Jahren ließ er sich dort selten sehen und zeigte wenig Interesse an den Aufgaben der Bank. Seine Verbindungen mit dieser Institution reichten allerdings weit zurück. Er kam aus zwei der prominentesten Bankiersfamilien der City, aus dieser speziellen Aristokratie, aus der sich der Verwaltungsrat der Bank zusammensetzte. Seine beiden Großväter waren zu ihrer Zeit über viele Jahre Direktoren mit einigem Ansehen gewesen.
Sein Großvater väterlicherseits, George Warde Norman, der kein Vollzeitbankier war – sein ererbtes Vermögen stammte aus dem Holzhandel und aus Immobilien –, hatte durch Heirat einen großen Anteil an der Martins Bank erworben und war 1821 zum Direktor ernannt worden. 1830, im Alter von 37 Jahren, zog sich George Norman aus der Vollzeitbeschäftigung zurück, um sich seinem Besitz in Kent zu widmen. Dort frönte er seiner Liebe für Literatur und Geschichte, förderte Kricket, was eine in der Familie verbreitete Leidenschaft war, und kümmerte sich um seine sieben Söhne. Trotzdem blieb er mehr als 50 Jahre lang ein pflichtbewusstes Mitglied des Verwaltungsrats, und im Gegensatz zu den typischen Mitgliedern entwickelte er einiges Interesse und Fachwissen auf dem Gebiet der monetären Ökonomie. Wie so viele viktorianische Gentlemen mit viel Freizeit veröffentlichte er Broschüren – in seinem Fall über Geldtheorie – und wurde zu einem der Anführer der Bewegung, die sich dafür einsetzte, die Regeln des Goldstandards zu kodifizieren, die später im Bank Act von 1844 festgelegt wurden. Außerdem brach er eine Tradition der Bank, indem er sich kategorisch weigerte, seine Amtszeiten als stellvertretender Gouverneur und als Gouverneur zu absolvieren. Er konnte keinen Grund erkennen, warum er sich von den vielen Freuden des Lebens losreißen sollte, um sich
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