Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
für ein Jahr – wurde der Gouverneur wieder zu einem einfachen Ratsmitglied, bis er starb oder derart zusammenhangloses Zeug redete, dass es peinlich wurde.
Walter Bagehot, der großartige Herausgeber des Economist im 19. Jahrhundert, der seine Freude daran hatte, die schrulligen Paradoxien des Lebens in England zu schildern, beschrieb die Mitglieder des Courts als in der Regel »recht ernsthafte Männer … die viel Freizeit haben.« In der Tat war es seiner Meinung nach ein verdächtiges Zeichen, wenn ein Privatbankier vollzeitbeschäftigt war. »Wenn ein solcher Mann sehr viel arbeitet, dann stimmt wahrscheinlich etwas nicht. Entweder beschäftigt er sich mit Einzelheiten, die er besser seinen Untergebenen überlassen sollte, oder er macht zu viele spekulative Geschäfte … womit er sich ruinieren könnte.«
Diese Arrangements, so schrieb Bagehot, legten die finanzielle Stabilität Londons und folglich der ganzen Welt in die Hände »einer sich ständig ändernden Verwaltung; eines Aufsichtsrats, dessen Mitglieder bei ihrer Ernennung zu jung sind, als dass man wissen könnte, ob sie dazu befähigt sind; eines Komitees, in dem das Dienstalter die nötige Qualifikation und hohes Alter in der Regel die Folge ist.« Es war eine seltsame, sogar exzentrische Vorgehensweise: Die wichtigste Finanzinstitution Großbritanniens, ja sogar der ganzen Welt, lag in der Hand einer Gruppe von Amateuren, die in der Regel lieber etwas anderes gemacht hätten, aber die Jahre, die sie der Leitung der Bank widmeten, für eine Art Bürgerpflicht hielten. 10
Obwohl es zu den Aufgaben der Bankdirektoren gehörte, die Kreditversorgung in Großbritannien und somit auf der ganzen Welt zu regeln, behaupteten sie nicht von sich, besonders viel über Ökonomie, Zentralbankpolitik oder Geldpolitik zu wissen. Ein Wirtschaftswissenschaftler schrieb in den 1920er-Jahren über sie, sie ähnelten Schiffskapitänen, die sich nicht nur weigerten, die Grundregeln der Navigation zu erlernen, sondern auch noch behaupteten, diese seien überflüssig.
In dem Ausmaß, in dem sie sich für eine systematische Lehre der Geldpolitik einsetzten, war es die Kredittheorie der »realen Werte«, die wir heute für absolut irrig halten. Sie besagte, es könne dann keine Inflation entstehen, falls Banken, einschließlich der Bank of England, nur Kredite zur Finanzierung von greifbaren Gütern vergeben – zum Beispiel Baumwollballen, Papierrollen, Wagenladungen Kupferdraht oder Stahlträger – und nicht für finanzielle Spekulationen in Aktien und Anleihen oder für langfristige Investitionen. Es ist einfach zu verstehen, warum das Unsinn ist. In Zeiten der Inflation, wenn die Güterpreise steigen, müssten die Banken nach dieser Doktrin ihre Kreditvergabe ausweiten und so die Inflation weiter erhöhen. Es war dem Goldstandard zu verdanken, dass diese Doktrin nicht zu einem monetären Desaster führte. Indem er die Preise einigermaßen stabil hielt, sorgte er dafür, dass die Doktrin von den »realen Werten« nie die Chance hatte, in einem Umfeld steigender Preise umgesetzt zu werden.
Die Anforderungen der Kriegsfinanzierung veränderten die Bank. Da sie gezwungen war, immer mehr Banknoten ohne Golddeckung auszugeben, wurde sie zunehmend abhängig von den Bedürfnissen des britischen Schatzamtes. Trotz ihres Status als nationale Institution hatten die Bürger der City, denen die Leitung der Bank anvertraut war, in all den Jahren sehr darauf geachtet, eine argwöhnische Distanz zur Regierung zu wahren. Für sie stand fest, dass die Bank kein staatliches Organ war, und es lag ihnen absolut fern, sie zu einem solchen zu machen. Eine unbelegte Geschichte, die vor dem Krieg in der Stadt sehr verbreitet war, beschreibt diese Einstellung am besten. Ein Gouverneur der Bank wurde vom Schatzkanzler gebeten, vor einer königlichen Kommission auszusagen. Als man ihn nach den Reserven der Bank fragte, sagte er nur, die seien »sehr, sehr beträchtlich.« Als man ihn drängte, wenigstens eine ungefähre Zahl zu nennen, meinte er, es widerstrebe ihm außerordentlich, dem was er gesagt hatte, noch etwas hinzuzufügen.
Als die Belastungen durch die Kriegsfinanzierung stiegen, eskalierten die Spannungen zwischen der Bank und der Regierung und erreichten 1917 ihren Höhepunkt. Gouverneur war damals Walter Cunliffe, ein groß gewachsener Typ wie John Bull, mit breiter Brust und einem imposanten Walrossbart. Er war ein berühmter Großwildjäger und sah eher wie ein
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