Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
sofort zurückgewiesen, die immer noch darauf bestanden, Kriegsschulden nicht an Reparationen zu koppeln und Erstere nicht in diesem Ausmaß zu streichen. Und so schwärte das Problem der Kriegsschulden und der Reparationen wie ein Geschwür weiterhin an der verstümmelten ökonomischen Leiche Europas.
Zehn Tage nach dem Waffenstillstand am 11. November 1918 schrieb Benjamin Strong an Montagu Norman: »Das größte Problem, das nun vor uns liegt … sind nicht soziale und politische Unruhen«, sondern, dass sich die bevorstehenden Friedensverhandlungen »entlang einer Linie wirtschaftlicher Konflikte entwickeln« könnten, die »zu einer Zeit der ökonomischen Barbarei führen, die unseren Wohlstand bedroht.« »Es gibt keinen Zweifel«, fuhr er fort, »dass ein großer Teil des zukünftigen Glücks auf der Welt von den Beziehungen abhängt, die nun zwischen Ihrem und unserem Land aufgebaut werden.« In den folgenden zehn Jahren waren die Vereinbarungen zwischen Großbritannien und den USA – oder eher zwischen der Bank of England und der Federal Reserve – aufgebaut auf der Freundschaft zwischen Norman und Strong, einer der Fixpunkte der globalen Finanzarchitektur.
Die beiden kamen aus sehr verschiedenen Richtungen zu diesen Vereinbarungen. Für Norman war es eine Frage simpler Notwendigkeit. Der Krieg hatte Großbritannien wirtschaftlich zerstört, und Norman glaubte, das Land könne nur in Zusammenarbeit mit den USA darauf hoffen, seinen früheren finanziellen Einfluss wiederzuerlangen. Für Strong war die Rechnung ein wenig komplizierter. Als Bankier aus dem Hause Morgan war er natürlicherweise international orientiert. Der Krieg hatte die amerikanischen Finanziers zu der neuen Erkenntnis gebracht, dass das Schicksal ihres Landes unzertrennlich mit dem Europas verknüpft war. Jetzt, da der Frieden bevorstand, glaubte Strong, es sei in Amerikas eigenem Interesse, einen Teil seiner riesigen Reserven zu nutzen »um beim Wiederaufbau eines zerstörten Europa zu helfen.«
Und dann gab es noch ein moralisches Gebot für Strongs Internationalismus. Er gehörte zu derjenigen Generation von Amerikanern, die ihre Laufbahn unter Theodore Roosevelt begonnen hatten und unter Woodrow Wilson zur Reife gelangt waren. Sie hielten ihr Land jetzt durch Geld und Ideen für einzigartig qualifiziert und positioniert, um den Ablauf der internationalen Beziehungen dauerhaft zu verändern. Natürlich war er nicht so naiv, nicht zu erkennen, dass viele Europäer die Motive der Amerikaner weiterhin mit Misstrauen beäugten. Zum Beispiel warfen sie ihnen vor, absichtlich gewartet zu haben, bis Europa fast bankrott war, ehe sie in den Krieg eintraten. Er gehörte allerdings zu denen, die glaubten, jetzt nach Ende des Kriegs hätte seine Nation die einzigartige Chance zu zeigen, dass sie, in seinen Worten ausgedrückt, ein außergewöhnlich »selbstloses und großzügiges Volk« war.
Seine hohe Meinung von der globalen Mission Amerikas wurde besonders von einer Gruppe junger Männer beeinflusst, mit denen er sich angefreundet hatte und die den geheimnisvollen Namen »The Family« trugen. The Family war ein exklusiver Privatclub in Washington; vor dem Krieg hatte man Strong eingeladen, Mitglied zu werden. Der Club trug keinen offiziellen Namen und war eigentlich auch gar kein Club. Es gab keine Angestellten, keine Satzung und keine formale Mitgliederliste. Er war 1902 entstanden, als drei junge Armeeoffiziere, die Hauptleute Frank McCoy, Sherwood Cheney und James Logan, alle Anfang 30, die wegen des »Rufs an die Jugend« Theodore Roosevelts nach Washington gekommen waren, gemeinsam das Haus H Street 1718 mieteten. Es wurde bald zum Treffpunkt ehrgeiziger junger Diplomaten und Offiziere, die alle von Roosevelts Mission einer kraftvollen amerikanischen Außenpolitik inspiriert waren. Da es keinen formalen Namen gab, sprach man vom 1718 Club oder von The Family. 18
Die Mitgliedschaft weitete sich schließlich auf einen eklektischeren Kreis aus; darunter Journalisten wie Arthur Page, Herausgeber der beliebten Monatszeitschrift The World’s Work , Politiker wie der Kongressabgeordnete Andrew Peters, der später Bürgermeister von Boston wurde, und Bankiers wie Strong. Über all die Jahre blieb The Family aber eine Gruppe mit sehr engen persönlichen Bindungen, deren Mitglieder intensive Beziehungen zueinander pflegten, vor allem während des Kriegs. Als die Kämpfe endlich endeten, nahmen viele Mitglieder an den Friedensverhandlungen
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