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Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Titel: Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaquat Ahamed
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die ja längst behaupteten, Deutschland könne Reparationen zahlen, falls es seine Ausgaben im Inland einschränkte und die Steuern erhöhte. Letztlich wäre von Havenstein somit in der Position gewesen, die Drecksarbeit für die Alliierten zu verrichten – er konnte sich einfach nicht dazu überwinden, als Geldeintreiber für die Feinde seines Vaterlandes tätig zu sein.
    Konfrontiert mit diesen verwirrenden und widersprüchlichen Erwägungen beschloss von Havenstein, auf Zeit zu spielen und die Regierung mit jeder gewünschten Menge Geld zu versorgen. Im Gegensatz zur öffentlichen Meinung über ihn war ihm vollkommen klar, dass das Drucken von Geld zur Finanzierung des Defizits zur Inflation führen würde. Aber er hoffte, sie werde moderat ausfallen, und dass in der Zwischenzeit etwas geschehen würde, das die Alliierten dazu bringen könnte, ihre Forderungen zu senken oder zumindest einem Zahlungsmoratorium zuzustimmen, damit Deutschland eine kleine Verschnaufpause hätte.
    Das war eine völlige Fehleinschätzung. Von Havenstein erkannte nicht, dass Experimente mit der Währung einem Spaziergang auf einer Messerklinge gleichen. Eine moderate Inflationsrate bleibt nicht lange moderat. An einem bestimmten Punkt verlieren die Menschen ihr Vertrauen in die Fähigkeit der Regierung, den Wert des Geldes zu erhalten, und dann fliehen sie in Panik aus der Währung. In Deutschland wurde dieser Punkt Mitte 1921 überschritten.
    Statt zuzugeben, dass er einen schrecklichen Fehler gemacht hatte, blieb von Havenstein mit seinem verbissenen preußischen Pflichtgefühl standhaft, weigerte sich, seine Politik zu verändern und druckte weiterhin so viel Geld, wie die Regierung »brauchte«. Für Privatunternehmer war die Inflation vorteilhaft, weil sie ihre Schulden auslöschte. Aber 1923 hatte die Krise ein neues Ausmaß erreicht, und ohne eine funktionierende Währung wurde das Geschäftsleben unmöglich. Die Arbeitslosenquote, die immer bei etwa drei Prozent gelegen hatte, schoss im Herbst 1923 nach oben auf 20 Prozent. Um die Illusion der Zahlungsfähigkeit aufrechtzuerhalten, begann von Havenstein das Geld der Reichsbank direkt in Privatunternehmen zu pumpen. Er versteckte sich hinter der Behauptung, ohne die Reparationen gäbe es keine Inflation in Deutschland, und somit wies er die Schuld an der Inflation den gierigen Forderungen der Ausländer zu. Er begann zu argumentieren, die Inflation habe mit ihm nichts zu tun; er sei hier nur ein passiver Beobachter, und seine Aufgabe bestehe lediglich darin, genug Geld herzustellen, um die Räder der Wirtschaft zu ölen. Wenn die Wirtschaft eine weitere Billion Mark brauche, dann sei es seine Aufgabe sicherzustellen, dass dieses Geld gedruckt und effizient im Land verteilt werde.
    Am 17. August 1923 gab er seinen jährlichen Bericht über die wirtschaftliche Lage vor dem Staatsrat ab:
Die Reichsbank gibt heute täglich 20 000 Milliarden Mark an neuem Geld heraus, davon 5 000 Milliarden Mark in hohen Nennwerten. In der kommenden Woche wird die Bank dies auf täglich 46 000 Milliarden steigern, davon 18 000 Milliarden in hohen Nennwerten. Die Gesamtemission beläuft sich derzeit auf 63 000 Milliarden. In einigen Tagen werden wir daher in der Lage sein, täglich zwei Drittel des gesamten Geldumlaufs herauszubringen.
    Das war der Präsident der Reichsbank, dessen wichtigste Aufgabe darin bestand, den Wert der Währung zu erhalten, und der nun vor einer Gruppe von Parlamentariern stolz verkündete, er könne die Geldmenge an einem einzigen Tag um 60 Prozent steigern und das Land mit noch mehr Papier überfluten. Für viele Menschen war dies nur ein weiteres Zeichen, dass die deutschen Finanzen einem Trugbild erlegen waren, das aus Alice im Wunderland hätte stammen können.
    »Niemand konnte damit rechnen, dass Ignoranz und eine falsche Theorie zu einem solchen Ausbruch extremen Wahnsinns führen könnten. … Die irrsinnigen Ideen der Reichsbank gaben einer Stabilisierung keine Chance«, schrieb der britische Botschafter Lord d’Abernon, ein Experte auf dem Gebiet des Staatsbankrotts. Er hatte immer gedacht, er habe die schlimmsten finanziellen Exzesse und Dummheiten in Ägypten und in der ottomanischen Türkei erlebt. Jetzt musste er feststellen, dass diese im Vergleich zum Deutschland von 1923 fast schweizerisch anmuteten. »Es erscheint fast unmöglich, für ein Land auf Erholung zu hoffen, in dem solche Dinge möglich sind. Diese Hoffnung ist sicher vergeblich, bis man die

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