Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
Wahnsinnigen, die derzeit die Verantwortung tragen, vollständig entmachtet.«
Am Kriegsende war Hjalmar Schacht nur ein mäßig erfolgreicher Bankier, nicht besonders bekannt oder reich. Es waren die durch die Inflation entstandenen Möglichkeiten, die ihn mächtig und wohlhabend machen sollten. Er verdiente das Geld sicherlich nicht mit eigenen Spekulationen – er war arm aufgewachsen, sehr konservativ und ging mit seinen eigenen Ersparnissen kaum Risiken ein. Allerdings hatte er Glück.
1918 gab er einem 36-jährigen Aktienhändler namens Jacob Goldschmidt eine Stellung bei der Nationalbank. Goldschmidt war talentiert, kultiviert und charmant. Er unterschied sich stark von den traditionell konservativen Bankiers in Berlin, war ein Selfmade-Millionär, der eine erfolgreiche Aktienhandelsfirma aufgebaut hatte. Sobald er bei der Nationalbank war, begann Goldschmidt mit viel Kapital der Bank an der Börse zu spekulieren. Indem er einige kluge Fusionen einfädelte, bildete er die Bank um, die nun Danatbank hieß und das drittgrößte Bankkonglomerat Berlins wurde. 1923 war Schacht plötzlich in die oberen Reihen der etablierten Bankiers in Berlin aufgestiegen.
Im Sommer 1923 stand er an seinem Bürofenster und betrachtete das Geschehen auf der Straße. Während die meisten großen Berliner Banken ihre Hauptquartiere entlang der Behrenstraße in dunkelgrauen Gebäuden mit großen Steinmauern, massiven Säulen und Pilastern hatten, war das Hauptquartier der Danatbank eine hübsches rotes Sandsteingebäude mit Aussicht auf einen ruhigen Platz am Ufer der Spree. Schachts eigenes Büro bot einen perfekten Blick auf einen Platz, in dessen Mitte eine kleine Bronzestatue Karl Friedrich Schinkels stand, des Architekten, der Berlin so stark geprägt hatte. Eine seltsam ruhige Szene, dachte Schacht, weit weg von dem Fieber, das den Rest der Stadt befallen hatte.
Eine ständige Erinnerung an das, was Deutschland widerfahren war, stand weiter östlich auf der anderen Seite des Kanals: das Berliner Schloss, fast fünf Jahrhunderte lang Sitz der Hohenzollernkönige. Der riesige Kaiserpalast mit über 1 200 Räumen, dem riesigen Dom, der die Landschaft meilenweit prägte, stand nun leer. Das Innere des Gebäudes hatte man durchwühlt und geplündert, die schönen Balkone waren zersplittert und zertrümmert, die Barockfassade war beschädigt und zeigte große Löcher, die durch den Einschlag der Artilleriegranaten während der Revolution von 1918 entstanden waren.
Schachts Einstellung zum neuen republikanischen Deutschland war immer ambivalenter geworden. Er trauerte der Vergangenheit in keiner Weise nach und verspürte kein Bedauern über den Untergang des Reichs mit seinem »veralteten preußischen Militarismus«, das versuchte, eine »dauerhafte Gesellschaftsordnung« durchzusetzen. Aber stolz und nationalistisch wie er war, blickte er natürlich schon auf die Zeiten vor dem Krieg zurück, als Deutschland eine Nation der Ordnung und Disziplin sowie die größte Wirtschaftsmacht Europas gewesen war. Seiner Ansicht nach zerstörte sich das Land gerade auf sinnlose Weise selbst. Die Republik hatte die Mittelschicht verraten, die Deutschland einmal so stark gemacht hatte. Das Vaterland war zur »Hölle« geworden.
Schacht war frustriert, obwohl er nun das Geld und die Position besaß, die er so lange angestrebt hatte. Bei der Danatbank war er vom erfolgreicheren Goldschmidt in den Hintergrund gedrängt worden. Durch seine Zeitungsartikel im Berliner Tageblatt und in der Vossischen Zeitung hatte er sich einen gewissen Ruf als Experte für Reparationen erworben. Er argumentierte, Deutschland könne und solle pro Jahr nicht mehr als 200 Millionen Dollar zahlen. Das entsprach einem Gesamtbetrag von vier Milliarden Dollar, also ein Drittel dessen, worauf man sich 1921 in London geeinigt hatte. Dieser Betrag wäre damals für Frankreich völlig inakzeptabel gewesen. Er versuchte, beide Seiten zu berücksichtigen. Er sah das Niveau der Zahlungen kritisch, die Deutschland leisten konnte, aber gleichzeitig würde er die Regierung dazu drängen, pragmatischer vorzugehen, mit den Franzosen zu verhandeln, die gescheiterte Politik des passiven Widerstands im Ruhrgebiet aufzugeben und mit dem Gelddrucken aufzuhören.
Wenn er aber ehrlich zu sich selbst gewesen wäre, dann hätte er zugeben müssen, dass er Glück hatte, mit diesen Dingen nicht befasst zu sein. In den vergangenen drei Jahren, als das Land im wirtschaftlichen Chaos versank,
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