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Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Titel: Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaquat Ahamed
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riesigen Soldatenfriedhöfen an der Westfront unternahm.
    Der Blick auf Paris war sogar noch düsterer als der auf London. Um 22.00 Uhr war es dunkel in der Stadt, weil es an Kohlen für die Stromerzeugung mangelte. Die Friedenskonferenz dauerte offiziell noch an. Es gab gerade die letzten Verhandlungen mit den kleineren Zentralmächten und den Nachfolgestaaten wie Österreich, Ungarn, Bulgarien und der Türkei. Aber die großen Delegationen waren alle abgereist und mit ihnen der Tross von 10 000 Begleitpersonen: Berater, Ehefrauen, Freundinnen, Köche, Fahrer, Boten, Sekretäre und Journalisten. Die Hotels hatten ihren normalen Betrieb wieder aufgenommen. Ende Juli wurden das Majestic, Hauptquartier der britischen Delegation während der Konferenz, und das Crillion, in dem die amerikanische Delegation untergebracht war, wieder für den kommerziellen Betrieb geöffnet. Der radikale Journalist Lincoln Steffens, der mit der amerikanischen Delegation nach Paris gekommen war und nach der Konferenz blieb, beschrieb die bittere, enttäuschte Stimmung in der Stadt während dieser Monate am besten: »Die Folgen des Friedens waren von Paris aus sichtbar. Es gab überall Kriege, Revolutionen und Leid.«
    Im Sommer waren die politischen Bedrohungen Europas in der Tat geringer geworden. Obwohl in Russland immer noch der Bürgerkrieg wütete, war das Risiko einer bolschewistischen Revolution in Deutschland gesunken. Ein kommunistischer Aufstand in Berlin und ein Revolutionsversuch in Bayern waren niedergeschlagen worden. Aus Strongs Sicht war die größte Gefahr jetzt ökonomischer Natur. Die beiden größten Länder, Frankreich und Deutschland, benötigten beide dringend Nahrungsmittel aus dem Ausland. Kontinentaleuropa litt unter schrecklichem Mangel an Kapital für den Wiederaufbau. Am verstörendsten fand er den vollständigen »Mangel an Führung« in Europa, weil »die zuständigen Leute … erschöpft sind.«
    Während Strong in Paris war, wurde klar, dass die USA dabei waren, sich aus den Angelegenheiten der Europäer zurückzuziehen. Der Friedensvertrag war im Senat auf Widerstand gestoßen und schien vor dem Scheitern zu stehen. Obwohl der Präsident seine Absicht verkündet hatte, direkt ans Volk zu appellieren, ging die Stimmung im Land deutlich in Richtung Isolationismus.
    Strong konnte seinen Abscheu gegen diesen Verrat nicht verbergen. Ende August warnte er Russell Leffingwell, Unterstaatssekretär im Finanzministerium, der bald Partner bei Morgan werden sollte, wenn die USA »Europa im Stich lassen und diese neuen Regierungen ihrem Schicksal überlassen«, dann könne »das nur zu lange anhaltender Unordnung und Leid führen. Es wäre ein Akt der Feigheit, für den man uns verachten würde.« Ende September kehrte er in die USA zurück. Einige Tage zuvor, am 25. September, war der Präsident, während er auf einer Kampagne im Westen der USA um Zustimmung zum Vertrag warb, mit einem Schlaganfall zusammengebrochen. Anschließend lag er ein Jahr lang im Weißen Haus, unfähig, seinen Amtsgeschäften nachzugehen. Am 19. November lehnte der Senat den Vertrag mit 55 gegen 39 Stimmen ab.
    Wie es so oft zu geschehen schien, wenn er aus Europa zurückkam, erlitt Strong einen weiteren Tuberkulose-Rückfall. Wieder bestanden die Ärzte darauf, dass er sich ein Jahr Auszeit nahm, und die Direktoren der New York Fed beurlaubten ihn für ein Jahr. Zunächst ging er wegen der Höhenlage und des trockenen Klimas nach Arizona und im folgenden Frühjahr schien er auf einem guten Weg der Genesung zu sein. Im März brach er auf dem Rücken eines Pferdes zu einem Ritt durch die Wüste Arizonas auf. Er hatte dabei ungewöhnliche Begleiter: einen Maultierkürschner als Koch, einen Pima-Indianer als Führer und Pferdepfleger, der Frank, Francisco, Pancho oder Juan hieß – was niemand genau wusste –, einen russischen Wolfshund namens Peter und Basil Miles, Strongs alten Freund aus The Family. Als diese Gruppe durch die Wildnis zog, »die wunderbarste Luft« atmete, die »großartigsten Sonnenuntergänge« beobachtete und unter freiem Himmel schlief, müssen die Probleme des Wiederaufbaus Europas und des Währungschaos sehr weit weg erschienen sein.
    Nach dem Aufenthalt in Arizona wollte Strong sein freies Jahr nutzen und um die Welt reisen. In Begleitung seines ältesten Sohns Ben und seines Freundes Miles fuhr er Anfang April von San Francisco aus nach Japan. Sie besuchten China, die Philippinen, Java, Sumatra, Ceylon, Indien und

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