Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
Industrien wie Baumwolle, Kohle und Schiffbau, in denen das Land weltweit führend gewesen war, waren nicht modernisiert worden, und die traditionellen Märkte hatte man an Wettbewerber verloren. Die Arbeitskosten waren gestiegen, weil die Gewerkschaften kürzere Arbeitszeiten ausgehandelt hatten.
Norman war nun mit einer unangenehmen Aussicht konfrontiert: Der einzige Weg, dem Beispiel seiner Vorgänger zu folgen – sein Großvater wurde im Jahr der »Wiederaufnahme« Mitglied der Bank of England – bestand darin, die Arbeitslosigkeit hoch zu halten. Vor dem Krieg wäre es vielleicht politisch akzeptabel gewesen, absichtlich Arbeitslosigkeit zu schaffen, um die Währung zu stützen. Aber im aufgeladenen Klima nach dem Krieg – Lloyd George versprach den Wählern ein »Land für Helden« – stand Norman ständig unter Druck, eine Alternative zu finden.
Das Problem, den Goldstandard wieder einzuführen, war viel tiefgreifender als neue Wechselkurse wichtiger Währungen zu bestimmen. Denn der Krieg hatte zu einer derartigen tektonischen Verschiebung bei der Verteilung der Goldreserven gesorgt, dass sie die Lebensfähigkeit eines monetären Systems bedrohte, das auf Gold basierte.
Vor dem Krieg hatten die vier größten Volkswirtschaften – die USA, Großbritannien, Deutschland und Frankreich – ihre monetären Systeme mit Gold im Gesamtwert von etwa fünf Milliarden Dollar geregelt. Im Krieg wurde nur wenig neues Gold gefördert, und bis 1923 war der Wert des monetären Goldes nur auf sechs Milliarden Dollar gestiegen. Die Preise in den USA und Großbritannien lagen allerdings trotz der Deflation nach dem Krieg noch immer um 50 Prozent höher als vor dem Krieg. Das bedeutete, dass die reale Kaufkraft der Goldreserven um fast 25 Prozent gesunken war.
1922 arbeitete Norman mit Beamten des Finanzministeriums an der Entwicklung eines Plans, dass einige europäische Zentralbanken – wie es viele Länder im britischen Empire bereits taten – Pfund Sterling statt Gold als Reservewährung halten sollten – so wie heute viele Zentralbanken Dollars halten. Er argumentierte, der Ersatz von Gold durch Sterling würde es der Welt erlauben, das wertvolle Metall zu sparen und das Risiko eines weltweiten Goldmangels zu reduzieren. Die meisten bemerkten allerdings, dass die Schaffung einer solchen Nachfragequelle die privilegierte Stellung von Sterling in der Konstellation der Währung stärken und es ihm erleichtern würde, von Sterling wieder zu Gold zu wechseln. Der Plan wurde nie wirklich umgesetzt, außer in einigen kleinen mitteleuropäischen Ländern.
Abbildung 2: Goldreserven: 1913 bis 1923 (in Millionen Dollar)
Nach dem Krieg besaßen die USA einen großen Teil der weltweiten Goldreserven.
Die größere Sorge der Bankiers nach dem Krieg war nicht, dass es auf der Welt zu wenig Gold geben könnte, sondern dass zu viel davon in den USA konzentriert war. Vor dem Krieg hatte es unter den bedeutenden Wirtschaftsmächten eine Art Parität zwischen der Goldmenge im Banksystem und der Größe der Volkswirtschaft gegeben. Zum Beispiel entfiel auf die USA mit einem Bruttoinlandsprodukt von 40 Milliarden Dollar etwa die Hälfte der Produktion aller vier Wirtschaftsmächte, und sie hielten etwa zwei Milliarden Dollar in Gold, etwas weniger als die Hälfte der Summe aller Goldreserven der vier Länder. Das Gleichgewicht war nicht exakt – Frankreich hielt proportional mehr und Großbritannien weniger –, aber das System funktionierte bemerkenswert problemlos.
Bis 1923 hatten die USA fast 4,5 Milliarden der sechs Milliarden Goldreserven aller vier Wirtschaftsmächte akkumuliert; weit mehr, als sie brauchten, um ihre Wirtschaft am Laufen zu halten. Etwa 400 Millionen Dollar zirkulierten in Form von Münzen, der Rest bestand aus »Ingots«, kleinen Barren in der Größe einer Milchpackung, die je etwa zwölf Kilo wogen und in den Gewölben der Reservebanken und des Finanzministeriums lagerten. Der größte Goldschatz lag unter Lower Manhattan, etwa 1,5 Milliarden Dollar in den Tresoren des Finanzministeriums an der legendären Kreuzung von Broad Street und Wall Street und bei der New York Fed. Der Rest war auf die elf anderen Federal-Reserve-Banken im ganzen Land verteilt. 20 Einer Schätzung zufolge beliefen sich die überschüssigen Goldreserven in den USA auf etwa ein Drittel der Bestände, rund 1,5 Milliarden Dollar.
Während das monetäre System der USA von diesem enormen Überschuss überschwemmt wurde,
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