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Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Titel: Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaquat Ahamed
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übergelaufen. Stresemann brach das Abendessen ab und eilte zu einer Krisensitzung mit dem Kabinett im Kanzleramt.
    Am folgenden Montag, dem 12. November, erhielt Schacht in seinem Büro am Schinkelplatz einen Anruf von Finanzminister Hans Luther. Er bat ihn in sein Büro, das in einem der düsteren Verwaltungsgebäude in der Wilhelmstraße untergebracht war. Hitlers Versuch der Machtübernahme – der Hitler-Ludendorff-Putsch oder auch »Bierkellerputsch«, – war innerhalb von 24 Stunden zusammengebrochen, und die Regierung Stresemann ging wieder an die Arbeit.
    Luther war klein, dick und vollkommen kahlköpfig. Als Bürgermeister der Stadt Essen war er zum Volkshelden geworden, weil er sich den französischen und belgischen Besatzungstruppen widersetzt hatte. Aber trotz seiner Leistungen als tapferer kleiner Bürgermeister war Luther kalt, farblos und prüde, und er war zudem misstrauisch wegen Schachts Ruf, sein Fähnlein zu schnell nach dem Wind zu drehen. Zunächst war er gegen Schachts Ernennung gewesen, aber als die beiden anderen Bankiers, an die er sich gewandt hatte, sein Angebot ablehnten, meinte er keine andere Wahl mehr zu haben.
    An diesem Vormittag bot Luther Schacht offiziell den Posten des Währungsbeauftragten an. Schacht gab zwar vor, Bedenkzeit zu benötigen, aber als Luther eine sofortige Antwort verlangte, nahm er an, und zwar, wie es ein Historiker beschrieb »mit einer Begeisterung, die zu den noch aufzudeckenden Dimensionen seines Ehrgeizes passte.«
    Schacht wies eine ganze Reihe von Qualifikationen für den Posten auf. In den Kreisen ausländischer Bankiers war er bekannt und wurde bewundert; ein Attribut, das bei der nächsten Runde des Streits um die Reparationen noch sehr wichtig werden sollte. Er wurde von der politischen Mitte und den Linken unterstützt. Außerdem gab es Gerüchte, dass Jacob Goldschmidt, der in den Kreisen der Demokratischen Partei großen Einfluss hatte und Schacht gern als Partner in der Danatbank loswerden wollte, aktive Lobbyarbeit betrieb, um ihn nach oben zu treten.
    Seine Position war mit einer so noch nie gegebenen Machtfülle ausgestattet. Er hatte Kabinettsrang und wurde zu allen Kabinettsbesprechungen eingeladen. Vor allem aber hatte er ein Vetorecht bei allen Maßnahmen, die sich auf die Währung auswirkten. Dieses Veto konnte nur von der Mehrheit im Kabinett überstimmt werden.
    Als Büro bekam er allerdings nur ein Zimmer im hinteren Flügel des Finanzministeriums, das früher als Besenkammer benutzt worden war. Es war dunkel, eng und kahl, enthielt nur einen Schreibtisch und ein Telefon. Er war damit einverstanden, kein Gehalt zu bekommen und bestand darauf, dass mit seinem Monatsgehalt von 100 Dollar die mageren Bezüge seiner Sekretärin Fräulein Steffeck aufgebessert wurden. Er hatte sie von der Danatbank mitgebracht, und sie war seine einzige direkte Angestellte.
    Der Plan war, eine vollkommen neue Währung einzuführen, die nicht durch Gold gedeckt war, sondern durch Land. Die Bank, die die neue Währung herausgab, erhielt eine »Hypothek« auf alle landwirtschaftlichen und industriellen Liegenschaften, auf die sie eine Abgabe von jährlich fünf Prozent erheben konnte – im Prinzip eine Steuer auf kommerziell genutzte Immobilien.
    Trotz seiner neuen Position war Schacht skeptisch, was die Erfolgschancen des neuen Plans betraf – so wie fast jeder andere in Deutschland. Von Anfang an hatte er sich über die Idee einer landgedeckten Währung als reinen Trick lustig gemacht, mit dem man Vertrauen wecken wollte. Währungen mussten mit etwas besichert sein, das hoch liquide, leicht übertragbar und international akzeptiert war, also etwa mit Gold. Er konnte kaum daran glauben, dass jemand, der in der neuen Währung bezahlt würde, sich an dem theoretischen Versprechen erfreuen könnte, dass man diese Banknoten letztlich gegen ein unzugängliches Waldstück in Thüringen, gegen eine Viehweide in Bayern oder vielleicht gegen eine Fabrik im von Kommunisten durchsetzten Saarland eintauschen konnte.
    Während der Debatte über die verschiedenen Pläne zur Währungsreform hatte sich Schacht freimütig für Gold als Grundlage der neuen Währung ausgesprochen. Während man gegen die theoretische Basis dieser Logik nichts sagen konnte, lag das fatale Problem darin, dass Deutschland einfach nicht genug Gold für diesen Zweck besaß. Vor dem Krieg war Geld im Wert von 1,5 Milliarden Dollar im Umlauf gewesen, besichert durch knapp eine Milliarde Dollar in

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