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Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Titel: Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaquat Ahamed
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Gold. Nach fünf Jahren Reparationszahlungen und dem Zusammenbruch der Währung waren weniger als 150 Millionen Dollar in Gold übrig. Außerdem lag die geringe Goldmenge, die Deutschland besaß, in den Händen der Reichsbank, deren Präsident Rudolf von Havenstein unnachgiebig gesagt hatte, er werde sich von keiner einzigen Unze trennen, um etwas zu unterstützen, über das er keine Kontrolle habe. Schacht, der in der Regel Realist war, hatte vorgeschlagen, Deutschland solle versuchen, durch Kreditaufnahme im Ausland seine Goldreserven auszubauen, aber nur wenige glaubten, dass internationale Bankiers ein Land auch nur anhören würden, das im Vorjahr seine Reparationen schuldig geblieben und jetzt teilweise von ausländischen Truppen besetzt war.
    Die wichtigste, vielleicht die definierende Eigenschaft der neuen Währung war nicht, dass sie theoretisch auf Land beruhte, sondern dass das auszugebende Volumen strikt auf 2,4 Milliarden Rentenmark begrenzt werden sollte, was etwa 600 Millionen Dollar entsprach. Schacht war fest entschlossen dafür zu sorgen, dass die Menge umlaufenden Geldes diese gesetzlich festgelegte Obergrenze nicht überschritt, weil er begriff, dass angemessene Knappheit entscheidend für die Glaubwürdigkeit der neuen Währung war. Und obwohl er auch von seinen Kabinettskollegen beträchtlichem politischem Druck ausgesetzt war, in dieser Hinsicht nachzugeben, blieb er bei seiner Haltung. Er war hartnäckig, fast brutal bei der Ablehnung von Kreditanfragen, egal woher sie kamen – von Regierungsbehörden, Gemeinden, Banken oder großen Industriellen.
    Fräulein Steffeck hinterließ ein anschauliches Bild Schachts an diesen ersten Tagen:
Er saß auf seinem Stuhl in seinem kleinen dunklen Zimmer im Finanzministerium, das immer noch nach alten Putzlappen roch, und rauchte. Las er Briefe? Nein, er las keine Briefe. Schrieb er Briefe? Nein, er schrieb keine Briefe. Aber er telefonierte viel – er telefonierte in jede Richtung, mit jedem Ort in Deutschland und im Ausland, der etwas mit Geld und Devisen zu tun hatte. Und er rauchte. In dieser Zeit aßen wir nicht viel. Meist fuhren wir spät heim, oft mit dem letzten Vorstadtzug, und wir fuhren dritter Klasse. Davon abgesehen tat er nichts.
    Er war sehr stolz auf dieses Porträt, das er immer wieder zitierte. Er genoss das Image des einzelgängerischen Finanzgenies, das auf eigene Faust meisterhaft agierte, wo andere etablierte Bankiers gescheitert waren.
    Für von Havenstein war die Nachricht von Schachts Ernennung die ultimative Erniedrigung. Obwohl er in den letzten fünf Jahren die Federführung über die größte Abwertung der Geschichte innegehabt hatte, weigerte er sich immer noch, die Verantwortung für dieses Debakel zu übernehmen. Er bestand darauf, dies sei nicht seine Schuld, sondern das Ergebnis einer verfehlten Regierungspolitik und der erpresserischen Forderungen der Alliierten.
    Als Stresemann im August 1923 an die Macht kam, versuchte er von Havenstein zu überreden, freiwillig seinen Abschied zu nehmen. Er argumentierte, die Öffentlichkeit habe jedes Vertrauen in die Währung verloren, und um das zu ändern, brauche man nicht nur ein neues Tauschmedium, sondern auch einen neuen Präsidenten der Reichsbank. Von Havenstein hatte sich kategorisch geweigert. Bis November hatte sich der Chor derjenigen, die seinen Rücktritt verlangten, über das gesamte politische Spektrum verbreitet – mit Ausnahme der rechtsextremen Nationalisten. Erst ein paar Tage zuvor hatten ihn die führenden Industriellen als »Vater der Inflation« gebrandmarkt. Aber das Gesetz zur Autonomie der Reichsbank vom Juli 1922 hatte dem Chefarchitekten der Inflation eine Stellung auf Lebenszeit gesichert. Ironischerweise war dieses Gesetz auf Druck der Briten verabschiedet worden, die hofften, die Inflation eindämmen zu können, indem sie die Unabhängigkeit der Reichsbank sicherten.
    Niemand konnte verstehen, warum von Havenstein, der auf sein Pflichtbewusstsein im Dienst stolz war, angesichts all der Rücktrittsforderungen so verzweifelt und auf so erniedrigende Weise an seinem Stuhl klebte. Aber er sagte immer wieder, wenn er ginge, würden die Dinge nur noch schlimmer werden – wie das noch möglich sein sollte, konnten nur wenige verstehen. In vielerlei Hinsicht war es sein Stolz als Beamter, der ihn davon abhielt, zurückzutreten und damit die Verantwortung für die Zerstörung der Mark und der Ersparnisse so vieler gottesfürchtiger Deutscher zu

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