Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
Rechten angegriffen wurde.
Trotz seines freundlichen und gefühlsbetonten Äußeren war Stresemann ein Realist, der an die Macht gekommen war, fest entschlossen, den Albtraum zu beenden. Während seiner ersten Wochen im Amt ließ er den Reichstag einen Gesetzesentwurf verabschieden, der ihn dazu ermächtigte, per Dekret zu regieren. Er beendete die Kampagne des passiven Widerstands an der Ruhr, der die Regierung pro Tag zehn Millionen Dollar kostete und rief den Notstand aus. So verlieh er der Armee die nötige Autorität, gegen abtrünnige Länder vorzugehen.
Weil er wusste, dass der politische Zusammenbruch seine Wurzeln im Chaos der galoppierenden Hyperinflation hatte, wendete Stresemann seine Aufmerksamkeit nun den monetären Fragen zu. Die Steuereinnahmen entsprachen damals weniger als zehn Prozent der Regierungsausgaben, und diese Lücke wurde gefüllt, indem man Geld druckte.
Stresemann hatte Schacht an diesem Tag zum Abendessen eingeladen, weil er ihn davon überzeugen wollte, den Posten des Währungsbeauftragten anzunehmen, eine neue Position mit der Verantwortung, die gesamte deutsche Währung zu reformieren. Das würde Schacht zum Währungszaren Deutschlands machen, sogar mit mehr Macht ausgestattet als der Finanzminister.
Die beiden kannten sich schon seit mehr als 20 Jahren. Sie verkehrten in denselben Kreisen und waren beide Mitglieder der Berliner Mittwochsgesellschaft, eines exklusiven Debattierclubs, 1915 gegründet, mit einer auf 85 Personen beschränkten Mitgliederzahl. Stresemann, der eine hohe Meinung von Schacht hatte, hatte einige Wochen lang versucht, in der neuen Administration einen Posten für ihn zu finden. Im Monat zuvor, bei seiner ersten Kabinettsumbildung, hatte er sogar versucht, Schacht zum Finanzminister zu ernennen. Aber in der Nacht, bevor er seine neue Ministerliste dem Reichspräsidenten Friedrich Ebert vorlegen sollte, erhielt er von einem hohen Beamten im Ministerium einen Brief. Dieser Beamte äußerte große Zweifel an Schachts Eignung für diese Position, stellte die alten Fragen nach Schachts Verhalten im Krieg und spielte auf dessen moralische Untauglichkeit und Korruption an. In letzter Minute war Stresemann gezwungen, Schachts Namen von seiner Vorschlagsliste für das Kabinett zu streichen.
Für Schacht hätte die neue Chance zu keinem günstigeren Zeitpunkt kommen können. Er war nun finanziell unabhängig und begierig darauf, ins öffentliche Leben zu treten. Obwohl er einen großen Teil seines Vermögens Jacob Goldschmidt verdankte, hielt er die Art, wie sein junger Kollege Geschäfte machte, für gefährlich. Da er bei der Danatbank immer mehr aufs Abstellgleis geriet, hatte er begonnen, nach einer neuen Herausforderung zu suchen. 21
Später beschrieb er diesen Sommer als »Leben am Rand eines Vulkans«. Die aus seiner Sicht größte Gefahr war eine bolschewistische Revolution. Aber als die politische Krise immer schlimmer wurde, blieb er davon überzeugt, dass sich ihm eine großartige Chance bieten würde.
Am Ende des Sommers schickte er seine Frau Luise, seine 22-jährige Tochter Inge und seinen 13-jährigen Sohn Jens in die Sicherheit der Schweiz. Er begann zu hoffen, dass ihm die neue Regierung eine Stellung anbieten würde, und er wollte Entscheidungen treffen können, ohne, wie er sich ausdrückte, »durch persönliche Erwägungen behindert zu werden, falls ich in den Strudel gezogen werden sollte.« Er wusste, dass Luise, eine brennende Nationalistin und Rechtsradikale mit »engstirniger preußischer Weltsicht«, den Linken und den Demokraten, mit denen er verkehren müsste, nicht sonderlich willkommen sein würde.
Um 23.30 Uhr, als die beiden Männer das Essen beendet hatten und Schacht, ein Kettenraucher, seine Zigarre anzündete, stürmte einer von Stresemanns Beratern herein. Wochenlang hatte es Gerüchte gegeben, dass rechtsradikale Gruppierungen, eine unter der Führung des lokalen Armee- und Polizeikommandanten, die andere geführt von einem 34-jährigen Ex-Gefreiten namens Adolf Hitler, die Macht zu übernehmen planten. Nun hatten sie zugeschlagen. Hitler, der offenbar mit dem abgesetzten General Erich Ludendorff zusammenarbeitete, hatte einen Bierkeller in München eingenommen, einige lokale politische Führer dazu gebracht, ihn zu unterstützen und die Regierung in Berlin für abgesetzt erklärt. Nun bereitete er einen Marsch auf diesen »Sumpf der Verderbtheit« vor. Es gab sogar Berichte, Armeeeinheiten in München seien zu den Rebellen
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