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Die Herren des Nordens

Titel: Die Herren des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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grässlicher Sündenpfuhl. Wenn ich je heirate, und
     ich bete zu Gott um dieses schöne Glück, dann will ich meiner Braut unbefleckt gegenübertreten.»
    «Ich bete auch, dass Ihr dieses Glück findet», sagte ich und meinte es auch. Der arme Beocca. Er war so hässlich und träumte
     von einer Frau, doch nie hatte er die Richtige gefunden, und ich bezweifelte, dass es ihm noch gelingen würde. Es gab viele
     Frauen, die ihn mitsamt seinem Schielauge |305| und allem anderen heiraten wollten, schließlich war er ein hochgestellter Priester, den Alfred überaus schätzte, aber Beocca
     wartete darauf, dass ihn die Liebe träfe wie ein Blitzschlag. Er gaffte schöne Frauen an, träumte seine unerfüllbaren Träume
     und sprach seine Gebete. Vielleicht, dachte ich, würde er in seinem Himmel mit einer herrlichen Braut belohnt werden, aber
     nichts, was ich je über den Christenhimmel gehört hatte, ließ vermuten, dass man solche Freuden dort erwarten konnte.
    Beocca holte uns am Nachmittag vom
Zwei Kraniche
ab. Ich bemerkte, dass er einen kurzen Blick zur Decke warf und ihn die Anzahl der Kerben erschütterte, doch er machte keine
     Bemerkung dazu und führte uns nur zum Königspalas, wo wir im Wachhaus unsere Waffen abgeben mussten. Ragnar sollte im Hof
     warten, während Beocca mich zu Alfred brachte, der sich in seinem kleinen Studierzimmer befand, ein Raum, der noch von dem
     Römergebäude stammte, das den Kern des königlichen Bezirks von Witanceaster bildete. Ich war schon früher hier gewesen, deshalb
     überraschte mich die karge Einrichtung nicht und auch nicht der hohe Stapel Pergamente, der jeden Moment von dem breiten Fensterbrett
     zu rutschen drohte. Die Wände waren aus weißgekalktem Stein, sodass es recht hell war, doch aus irgendeinem Grund hatte Alfred
     in einer Ecke zahlreiche Kerzen entzündet. In jede dieser Kerzen waren mit einer Daumenbreite Abstand tiefe Kerben eingeritzt.
     Die Kerzen konnten kaum der Beleuchtung dienen, denn die Herbstsonne flutete durch das große Fenster herein, und ich wollte
     ihn nicht nach ihrem Zweck fragen, um mir eine langwierige Erklärung darüber zu ersparen, wozu er sie brennen ließ. Ich nahm
     einfach an, dass er für jeden Heiligen, zu dem er in den letzten paar Tagen gebetet hatte, eine Kerze entzündete und jede
     der Kerben |306| eine Sünde darstellte, die verbrannt werden musste. Alfred besaß ein sehr scharfes Gespür für Sünden – ganz besonders für
     meine.
    An diesem Nachmittag trug Alfred ein braunes Gewand, sodass er aussah wie ein Mönch. Seine Hände waren, ebenso wie Beoccas,
     mit Tinte befleckt. Ich hatte gehört, dass ihn wieder seine Magenschmerzen quälten, und er zuckte oft zusammen, wenn der Schmerz
     besonders heftig durch seine Eingeweide fuhr. Dennoch grüßte er mich herzlich. «Uhtred, ich hoffe, du bist bei guter Gesundheit.»
    «Das bin ich, Herr», sagte ich immer noch kniend, «und ich erhoffe für Euch das Gleiche.»
    «Gott hat mich auserwählt, seinen Prüfungen standzuhalten, also muss ich darüber froh sein. Bitte steh auf. Ist Graf Ragnar
     mit dir gekommen?»
    «Er ist draußen, Herr.»
    «Gut», sagte er. Ich stand auf dem einzigen freien Fleck in dem kleinen Raum. Die geheimnisvollen Kerzen nahmen viel Platz
     ein, und Beocca lehnte an einer Wand neben Steapa, der sogar noch mehr Platz einnahm. Es überraschte mich, Steapa hier zu
     sehen. Alfred bevorzugte kluge Menschen, und dazu konnte man Steapa wohl kaum rechnen. Er war als Sklave geboren, und nun
     war er ein Krieger, und im Grunde war er zu nichts weiter gut, als Bier zu trinken und die Feinde des Königs abzuschlachten,
     was er beides mit atemberaubender Leistungsfähigkeit durchführte. Nun stand er mit unbehaglicher Miene neben dem Schreibpult
     des Königs, als sei es ihm unheimlich, hierher gerufen worden zu sein.
    Ich glaubte, Alfred wolle mich zu meiner qualvollen Zeit als Sklave befragen, denn er liebte Geschichten über ferne Orte und
     fremde Menschen, doch er sagte gar nichts dazu und fragte mich stattdessen nach meinen Ansichten über |307| Guthred. Ich sagte, dass ich Guthred mochte, was den König zu überraschen schien. «Du magst ihn», fragte Alfred, «nach dem,
     was er dir angetan hat?»
    «Er hatte kaum eine Wahl, Herr», sagte ich. «Ich habe ihm selbst erklärt, dass ein König rücksichtslos sein Reich verteidigen
     muss.»
    «Dennoch.» Alfred musterte mich zweifelnd.
    «Wenn wir einfachen Männer, Herr, von Königen Anerkennung

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