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Die Herren des Nordens

Titel: Die Herren des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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erwarten würden», sagte ich mit meinem ernsthaftesten Gesichtsausdruck,
     «dann würden wir immer nur Enttäuschungen erleben.»
    Er sah mich streng an und brach dann in raues Gelächter aus. «Du hast mir gefehlt, Uhtred», sagte er, «du bist der einzige
     Mann, der sich mir gegenüber Frechheiten erlaubt.»
    «Er hat es nicht so gemeint, Herr», sagte Beocca ängstlich.
    «Natürlich hat er es so gemeint», sagte Alfred. Er schob einige Pergamente auf der Fensterbank zur Seite und setzte sich.
     «Was hältst du von meinen Kerzen?», fragte er mich.
    «Ich meine, Herr», antwortete ich nachdenklich, «dass sie bei Dunkelheit von größerem Nutzen sind.»
    «Ich versuche, eine Uhr zu entwickeln», sagte er.
    «Eine Uhr?»
    «Um die vergehenden Stunden anzuzeigen.»
    «Die liest man doch an der Sonne ab, Herr, und bei Nacht an den Sternen.»
    «Nicht allen von uns ist es gegeben, durch Wolken hindurchsehen zu können», bemerkte er scharfzüngig. «Jede dieser Markierungen
     soll eine Stunde darstellen. Ich bemühe mich herauszufinden, welches die genauesten Markierungen sind. Wenn ich eine Kerze
     habe, die zwischen |308| Mittag und Mittag vierundzwanzig Abschnitte verbrennt, dann weiß ich immer, welche Stunde wir haben, nicht wahr?»
    «Ja, Herr», sagte ich.
    «Wir müssen unsere Zeit sinnvoll nutzen», sagte er, «und um das tun zu können, müssen wir zuerst wissen, wie viel Zeit wir
     überhaupt haben.»
    «Ja, Herr», sagte ich erkennbar gelangweilt.
    Alfred seufzte, dann suchte er aus den Pergamenten eines heraus, an dem ein Siegel aus fahlgrünem Wachs hing. «Das ist eine
     Botschaft von König Guthred», sagte er. «Guthred erbittet meinen Rat, und ich bin gesonnen, ihm diesen zu gewähren. Zu diesem
     Zweck werde ich eine Gesandtschaft nach Eoferwic schicken. Pater Beocca hat sich damit einverstanden erklärt, dort an meiner
     statt zu sprechen.»
    «Das ist eine Auszeichnung, Herr», sagte Beocca glücklich, «eine große Auszeichnung.»
    «Außerdem wird Pater Beocca wertvolle Geschenke für König Guthred mitnehmen», fuhr Alfred fort, «und diese Geschenke müssen
     geschützt werden, weshalb wir bewaffneten Geleitschutz brauchen. Ich habe überlegt, ob du vielleicht für diesen Schutz sorgen
     könntest, Uhtred? Du und Steapa?»
    «Ja, Herr», sagte ich dieses Mal voller Begeisterung, denn ich träumte nur noch von Gisela, und sie war in Eoferwic.
    «Aber du musst wissen», sagte Alfred, «dass es Beocca ist, der diese Gesandtschaft anführt. Er ist mein Botschafter, und du
     wirst seine Anordnungen befolgen. Ist das klar?»
    «Gewiss, Herr», sagte ich, obwohl ich von Alfred in Wirklichkeit keine Befehle mehr entgegennehmen musste. Ich hatte ihm keinen
     neuen Treueid geleistet, und ich war kein Westsachse, aber er bat mich darum, dorthin zu gehen, |309| wohin ich selbst wollte, und so erinnerte ich ihn nicht daran, dass ich ihm nichts geschworen hatte.
    Doch diese Erinnerung brauchte er gar nicht. «Ihr werdet alle drei vor der Heiligen Nacht zurückkehren und über Eure Gesandtschaft
     berichten», sagte er, «und wenn du mir das nicht schwörst», er sah mir ins Gesicht, «und mir schwörst, mein Mann zu sein,
     dann lasse ich dich nicht gehen.»
    «Ihr wollt meinen Eid?», fragte ich ihn.
    «Ich bestehe darauf, Herr Uhtred», sagte er.
    Ich zögerte. Ich wollte nicht wieder Alfreds Mann werden, aber ich spürte, dass sich hinter seiner sogenannten Gesandtschaft
     viel mehr verbarg, als Guthred einen Rat zu geben. Wenn Alfred nur das wollte, könnte er es ebenso gut in einem Brief tun.
     Oder er könnte eine Handvoll Priester schicken, um Guthred die Ohren vollzusäuseln. Doch Alfred entsandte Steapa und mich,
     und in Wahrheit verstanden wir beide nur von einer einzigen Sache etwas, und das war der Kampf. Und Beocca war zweifellos
     ein guter Mann, aber kaum ein sehr beeindruckender Gesandter. Alfred, so dachte ich, hatte mit Steapa und mir im Norden etwas
     vor, und das konnte nur eines bedeuten: Irgendeine Gewalttat sollte verübt werden, und das war vielversprechend. Dennoch zögerte
     ich, und das erboste den König.
    «Muss ich dich daran erinnern», fragte Alfred schroff, «dass ich viele Mühen auf mich genommen habe, um dich aus der Sklaverei
     zu befreien?»
    «Und warum habt Ihr diese Mühen auf Euch genommen, Herr?»
    Beocca zischte wütend, weil ich nicht augenblicklich den Wünschen des Königs nachgegeben hatte, und Alfred war vor den Kopf
     gestoßen, doch dann schien er zu

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