Die Herren des Nordens
geschrieben», warf ich ihm vor.
«Wir arbeiten an Listen von den Fyrds der Grafschaften», erklärte er. «Jeder Mann zwischen zwölf und sechzig muss jetzt dem
König den Treueid leisten. Ich stelle die Listen zusammen, aber uns ist die Tinte ausgegangen.»
«Kein Wunder», sagte ich, «so wie Ihr Euch beschmiert habt.»
«Gerade wird ein neuer Topf gemischt», sagte er, ohne auf meine Bemerkung einzugehen, «und das wird einige Zeit dauern, also
habe ich überlegt, dass ihr vielleicht die neue Kirche gerne sehen würdet.»
«Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen», sagte ich.
Er bestand darauf, uns hinzuführen, und die Kirche war tatsächlich von erlesener Pracht. Sie war größer als jeder Palas, den
ich je gesehen hatte. Ihr erstaunlich hohes Dach wurde von massiven Eichenstämmen getragen, in die Heilige und Könige geschnitzt
worden waren. Die Schnitzereien waren farbig bemalt, und die Heiligenscheine und Flügel schimmerten von Blattgold, das nach
Beoccas Erklärung von Handwerkern aufgetragen worden war, die nur zu diesem Zweck aus dem Frankenreich hierhergekommen waren.
Der Boden war mit Steinplatten ausgelegt, sodass keine Binsenspreu mehr gebraucht wurde und die Hunde nicht mehr wussten,
wohin sie pissen sollten. Alfred hatte eine Regel aufgestellt, nach der keine Hunde in die Kirche kommen durften, aber sie
kamen trotzdem herein, also hatte er einen Wächter bestellt, der mit einer Peitsche ausgerüstet wurde und die Tiere aus dem
großen Kirchenschiff vertreiben sollte, doch der Wächter hatte bei Ethandun ein Bein an eine dänische Kriegsaxt verloren und
kam daher nur recht langsam voran, sodass die Hunde keine Schwierigkeiten hatten, ihm |298| auszuweichen. Der untere Teil der Kirchenwände war aus Quadersteinen erbaut, doch der obere Teil und das Dach bestanden aus
Holz, und gerade unterhalb des Daches befanden sich hohe Fenster, die mit abgeschabten Hornstücken ausgefüllt waren, sodass
der Regen nicht eindringen konnte. Jedes Stückchen Wand war mit Leder bespannt, das mit Bildern vom Himmel und von der Hölle
bemalt war. Der Himmel war mit Sachsen bevölkert, während in der Hölle scheinbar eher die Dänen ihren Aufenthalt genommen
hatten. Obwohl, wie ich überrascht feststellte, auch ein paar Priester im Höllenfeuer brieten. «Es gibt auch schlechte Priester»,
versicherte mir Beocca ernst, «aber natürlich nicht viele.»
«Und es gibt gute Priester», sagte ich sehr zur Freude Beoccas. «Wenn wir gerade dabei sind, habt Ihr etwas von Pater Pyrlig
gehört?» Pyrlig war ein Britone, der mit mir bei Ethandun gekämpft hatte, und ich mochte ihn sehr. Weil er dänisch sprach,
war er nach Ostanglien gesandt worden, um bei Guthrum als Priester zu dienen.
«Er verrichtet das Werk Gottes», sagte Beocca begeistert. «Er hat erzählt, dass schon sehr viele Dänen getauft wurden! Ich
glaube wirklich, wir erleben die Bekehrung der Heiden mit.»
«Aber nicht dieses Heiden», sagte Ragnar.
Beocca schüttelte den Kopf. «Eines Tages wird Gott auch zu Euch kommen, Herr Ragnar, und seine Gnade wird Euch überwältigen.»
Dazu sagte Ragnar nichts. Ich sah ihm an, dass ihn Alfreds Kirche ebenso beeindruckte wie mich. Das Grabmal des Heiligen Swithun
hatte einen Querfries aus Silber und stand vor dem Hochaltar, der mit einem roten Tuch von der Segelfläche eines Drachenbootes
bedeckt war. Auf dem Altar standen ein Dutzend gute Wachskerzen in silbernen |299| Haltern neben einem großen Silberkreuz mit Goldeinlagen, eine Beute, wie mir Ragnar zuflüsterte, für die er eine vierwöchige
Reise in Kauf nehmen würde.
Auf jeder Seite des Kreuzes waren Reliquien angeordnet; Kästen und Kolben aus Silber und Gold, alle besetzt mit Juwelen und
manche mit kleinen Fenstern aus Kristallgestein, durch die man die Reliquien erspähen konnte. Da waren Maria Magdalenas Zehenring
genauso wie das, was von der Feder jener Taube noch übrig war, die Noah von der Arche ausgesandt hatte. Da waren der Hornlöffel
des Heiligen Kenelm, ein Kolben mit Staub aus dem Grab Sankt Heddas und ein Huf des Esels, auf dem Jesus in Jerusalem eingezogen
war. Das Tuch, mit dem Maria Magdalena Jesus die Füße getrocknet hatte, war in eine große Goldtruhe eingeschlossen, und daneben,
weit überstrahlt von dem Glanz des Goldes, waren die Zähne des Heiligen Oswald, das Geschenk Guthreds. Die beiden Zähne lagen
immer noch in dem silbernen Austerntopf, der jedoch im Vergleich zu
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