Die Herren des Nordens
Schwerter tragen würden. Wir waren seine Kriegsmeute, und Alfred wusste
ganz genau, dass uns Beocca nichts befehlen konnte.
Er träumte, das war es, was Alfred tat, und seine Träume umfassten die gesamte britannische Insel.
Und ich sollte erneut sein eingeschworener Mann werden, und das war nicht, was ich gewollt hatte, aber er schickte mich in
den Norden, zu Gisela, und das wollte ich, und so kniete ich mich vor ihn hin, legte meine Hände zwischen seine, schwor den
Eid und verlor meine Freiheit. Dann wurde Ragnar hereingerufen, und auch er kniete sich hin, und ihm wurde seine Freiheit
zurückgegeben.
Und am nächsten Tag ritten wir alle nordwärts.
Gisela war schon verheiratet.
Das hörte ich von Wulfhere, dem Erzbischof von Eoferwic, und er musste es wissen, denn er selbst hatte die Zeremonie in seiner
großen Kirche abgehalten. Ich war fünf Tage zu spät gekommen, und als ich die Neuigkeit hörte, ergriff mich die gleiche Verzweiflung,
die mich in Haithabu hatte in Tränen ausbrechen lassen. Gisela war verheiratet.
Es war noch Herbst, als wir in Northumbrien ankamen. Wanderfalken zogen ihre Kreise am Himmel und stießen auf die Schnepfen
herab, die zur Überwinterung |316| angekommen waren, oder auf Möwenschwärme, die sich neben den überschwemmten Ackerfurchen niedergelassen hatten. Bis jetzt
war es ein schöner Herbst gewesen, doch während wir nordwärts durch Mercien ritten, zogen immer neue Regengebiete vom Westen
herein. Wir waren zu zehnt; Ragnar und Brida, Steapa und ich und Pater Beocca, der die Aufsicht über drei Diener führte, die
Packpferde mit unseren Schilden, Rüstungen, unserer Kleidung zum Wechseln und den Geschenken Alfreds für Guthred führten.
Außerdem hatte Ragnar zwei Männer bei sich, die mit ihm in der Geiselhaft gelebt hatten. Wir alle ritten auf guten Pferden,
die uns Alfred gegeben hatte, und wir hätten schnell vorankommen können, wenn wir nicht Beocca dabeigehabt hätten. Er hasste
das Reiten, und obwohl wir den Sattel seiner Stute mit zwei dicken Fellen ausgelegt hatten, konnte er die Schmerzen kaum ertragen.
Er verbrachte den ganzen Tag damit, sich an seiner Begrüßungsrede für Guthred zu üben. Immer noch einmal wiederholte er die
Worte, bis wir anderen sie nicht mehr hören konnten. In Mercien blieben wir völlig unbehelligt, da Ragnars Anwesenheit dafür
sorgte, dass wir in dänischen Häusern immer willkommen geheißen wurden. Im nördlichen Mercien gab es noch einen sächsischen
König namens Ceowulf, aber wir begegneten ihm nicht, und es war unverkennbar, dass die eigentliche Macht in den Händen der
dänischen Großherren lag. Die Grenze zu Northumbrien überquerten wir unter prasselndem Regen, und es regnete immer noch, als
wir in Eoferwic eintrafen.
Und hier erfuhr ich, dass Gisela verheiratet war. Und nicht nur verheiratet, sie hatte außerdem zusammen mit ihrem Bruder
Eoferwic verlassen. «Ich habe das Ehesakrament gespendet», erklärte uns Erzbischof Wulfhere. |317| Er löffelte gerade Suppe, und lange klebrige Tropffäden hingen in seinem weißen Bart. «Das dumme Mädchen hat während der ganzen
Zeremonie geweint und wollte nicht an der Messe teilnehmen, aber das ändert nichts. Sie ist auch so verheiratet.»
Ich war entsetzt. Fünf Tage, mehr nicht. Das Schicksal ist unausweichlich. «Ich dachte, sie sei ins Kloster gegangen», sagte
ich, als würde das jetzt noch einen Unterschied machen.
«Sie hat in einem Nonnenkonvent gelebt», sagte Wulfhere, «aber wenn man eine Katze in einen Pferdestall sperrt, verwandelt
sie sich ja auch noch lange nicht in ein Pferd, oder? Sie hat sich der Welt vorenthalten! Sie wollte ihren fruchtbaren Schoß
nutzlos vergeuden! Sie ist zu sehr verwöhnt worden, darin liegt das Übel. Und dann wurde ihr gestattet, in einem Kloster zu
leben, wo sie aber nie ein Gebet gesprochen hat. Ihr mussten einmal Zügel angelegt werden. Eine ordentliche Tracht Prügel,
die hätte ich ihr verpasst. Aber auch so ist sie jetzt nicht mehr in dem Kloster. Guthred hat sie herausgezerrt und verheiratet.»
«Und mit wem?», fragte Beocca.
«Mit Herrn Ælfric natürlich.»
«Ælfric war in Eoferwic?», fragte ich erstaunt, denn mein Onkel verließ Bebbanburg genauso ungern, wie Kjartan die sicheren
Mauern Dunholms hinter sich ließ.
«Er ist nicht selbst gekommen», sagte Wulfhere. «Er hat zwanzig Männer geschickt, und einer von ihnen hat Ælfric vertreten.
Es war eine
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