Die Herren des Nordens
herankommen lassen, um es mir dann zu verweigern. Gisela war vor vier Tagen abgereist,
und das war mehr als genug Zeit, um Bebbanburg zu erreichen, und das verzweifelte Bemühen ihres Bruders um Ælfrics Unterstützung
hatte die Dänen vermutlich in einen Aufruhr getrieben. Nicht, dass mich die Wut der Dänen gekümmert hätte. Ich dachte nur
an Gisela.
«Wir müssen nach Norden», sagte Beocca, «und den König suchen.»
«Bei Eurem ersten Schritt in die Festung», erklärte ich ihm, «bringt Ælfric Euch um.» Beocca hatte bei seiner Flucht von Bebbanburg
alle Pergamente mitgenommen, die bewiesen, dass ich der rechtmäßige Herr von Bebbanburg war, und das wusste Ælfric und nahm
es Beocca sehr übel.
«Ælfric würde keinen Priester töten», sagte Beocca, «nicht, wenn ihm sein Seelenheil lieb ist. Und ich bin ein Gesandter!
Er kann keinen Gesandten töten.»
«Solange er sicher auf Bebbanburg sitzt», warf Ragnar ein, «kann er tun, was immer er will.»
|321| «Vielleicht ist Guthred nicht in Bebbanburg angekommen», sagte Steapa, und ich war so überrascht, ihn überhaupt reden zu hören,
dass ich nicht richtig auf seine Worte achtete. Ebenso wenig, so schien es, wie alle anderen, denn keiner von uns sagte etwas
dazu. «Wenn sie das Mädchen nicht mit Ælfric verheiratet sehen wollen», fuhr Steapa fort, «dann halten sie ihn auf.»
«Sie?», fragte Ragnar.
«Die Dänen, Herr», sagte Steapa.
«Und Guthred kommt nur langsam voran», ergänzte Brida.
«Ist das so?», fragte ich.
«Du hast gesagt, er hat Cuthberts Leichnam mitgenommen.»
In mir regte sich Hoffnung. Steapa und Brida hatten recht. Guthreds Ziel mochte Bebbanburg sein, aber er war nur so schnell,
wie der Leichnam getragen werden konnte, und die Dänen würden versuchen, ihn aufzuhalten. «Er könnte mittlerweile schon tot
sein», sagte ich.
«Es gibt nur einen Weg, um das herauszufinden», sagte Ragnar.
Bei Tagesanbruch ritten wir los. Wir hielten uns auf der Römerstraße Richtung Norden, und wir ritten so schnell wir konnten.
Bisher hatten wir Alfreds Pferde geschont, nun aber trieben wir sie hart an, wenn uns auch Beocca immer noch langsamer sein
ließ, als wir es ohne ihn gewesen wären. Dann, im Laufe des Vormittags, fing es wieder an zu regnen. Zuerst nur leicht, doch
bald so stark, dass der Boden glatt und tückisch wurde. Wind erhob sich und blies uns schneidend ins Gesicht. In einiger Entfernung
grollte Donner, und dann wurde der Regen noch stärker, und wir alle waren mit Schlamm bespritzt, wir alle froren, und wir
alle waren vollkommen durchnässt. Knackend bogen |322| sich die Bäume und ließen ihre letzten Blätter in den heftigen Böen davonwirbeln. Es war so der rechte Tag, um in einem schönen
Palas an einem gewaltigen Feuer zu sitzen.
Die ersten Leichen entdeckten wir neben der Straße. Dort lagen zwei nackte Männer, deren Wunden vom Regen ausgewaschen worden
waren. Neben einem der Toten lag eine zerbrochene Sichel. Drei weitere Leichen lagen eine halbe Meile weiter nördlich, und
zwei von ihnen hatten Holzkreuze um den Hals hängen, was bedeutete, dass es Sachsen waren. Beocca machte das Zeichen des Kreuzes
über den Toten. Blitze zuckten über den Hügel im Westen, und dann deutete Ragnar geradeaus, und ich sah unter dem peitschenden
Regen eine Siedlung neben der Straße. Sie bestand aus ein paar niedrigen Häusern, dem, was eine Kirche gewesen sein mochte,
und einem Palas, um den sich eine Holzpalisade zog.
Zwei Dutzend Pferde standen an die Palisade angebunden, und als wir aus dem Sturm auftauchten, rannten ein Dutzend Männer
mit Schwertern und Speeren aus dem Tor. Sie sprangen in die Sättel und galoppierten die Straße herunter auf uns zu, doch als
sie die Armringe sahen, die Ragnar und ich trugen, wurden sie langsamer. «Seid ihr Dänen?», rief Ragnar.
«Wir sind Dänen!» Sie senkten ihre Schwerter, drehten mit ihren Pferden um und ritten gemeinsam mit uns zu der Siedlung. «Habt
ihr hier irgendwo Sachsen gesehen?», fragte einer von ihnen Ragnar.
«Nur tote.»
Wir stellten die Pferde in einem der Häuser unter und zogen einen Teil des Strohdachs herunter, um die Tür zu vergrößern,
sodass die Pferde hindurchpassten. In dem Haus saß eine sächsische Familie, die ängstlich vor uns zurückschreckte. |323| Die Frau wimmerte und streckte in wortlosem Flehen die Hände nach uns aus. «Meine Tochter ist krank», sagte sie.
Das Mädchen lag zitternd in
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