Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Herren des Nordens

Titel: Die Herren des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
Vom Netzwerk:
einer Ecke. Sie wirkte weniger krank als verstört. «Wie alt ist sie?», fragte ich.
    «Elf Jahre, glaube ich, Herr», antwortete die Mutter.
    «Ist sie geschändet worden?», fragte ich.
    «Von vier Männern, Herr», sagte sie.
    «Jetzt ist sie sicher», sagte ich, und ich gab ihnen ein paar Münzen, um den Schaden am Dach richten zu lassen. Dann hießen
     wir Beoccas Diener und Ragnars zwei Männer die Pferde bewachen und gingen zu den Dänen in dem großen Palas, in dessen Feuerstelle
     hell die Flammen loderten. Die Männer, die um das Feuer saßen, rückten für uns zusammen, obwohl sie nicht verstanden, weshalb
     wir in Gesellschaft eines christlichen Priesters unterwegs waren. Sie beäugten den verschmutzten Beocca misstrauisch, doch
     Ragnar war ein so unverkennbarer Däne, dass sie nichts sagten, und seine Armringe, ebenso wie meine, zeigten an, dass er ein
     Däne von höchstem Stand war. Der Anführer war von Ragnar so beeindruckt, dass er sich fast verneigte. «Ich bin Hakon», sagte
     er, «von Onhripum.»
    «Ragnar Ragnarson», stellte sich Ragnar selbst vor. Doch stellte er weder Steapa noch mich vor, nur in Bridas Richtung nickte
     er kurz. «Und das ist meine Frau.»
    Hakon hatte schon von Ragnar gehört, und das war keine Überraschung, denn Ragnars Name war in den Hügeln westlich von Onhripum
     berühmt. «Ihr wart als Geisel in Wessex, Herr?», fragte er.
    «Das ist vorbei», sagte Ragnar knapp.
    «Willkommen zu Hause, Herr», sagte Hakon.
    Man brachte uns Bier und Brot und Käse und Äpfel. «Die |324| Toten, die wir am Straßenrand gesehen haben», fragte Ragnar, «war das Euer Werk?»
    «Sachsen, Herr. Wir hindern sie daran, sich zu sammeln.»
    «Diese Männer habt Ihr mit Sicherheit daran gehindert, noch einmal zu einer Versammlung zu gehen», sagte Ragnar und entlockte
     Hakon damit ein Lächeln. «Auf wessen Befehl?», fragte Ragnar.
    «Von Graf Ivarr, Herr. Er hat uns gerufen. Und wenn wir einen Sachsen mit Waffen finden, bringen wir ihn um.»
    Mutwillig nickte Ragnar in Steapas Richtung. «Der ist Sachse, und er ist bewaffnet.»
    Hakon und seine Männer betrachteten den massigen, finsterblickenden Steapa. «Er ist mit Euch zusammen, Herr.»
    «Und warum hat Ivarr Euch kommen lassen?», fragte Ragnar.
    Dann hörten wir die ganze Geschichte, oder jedenfalls, was Hakon darüber wusste. Guthred war auf eben dieser Straße nordwärts
     gezogen, aber Kjartan hatte Männer geschickt, die ihm den Weg abschnitten. «Guthred hat nicht mehr als hundertfünfzig Speerkämpfer»,
     berichtete uns Hakon, «und Kjartan hat ihm zweihundert oder mehr entgegengeschickt. Guthred hat es nicht auf einen Kampf ankommen
     lassen.»
    «Und wo ist Guthred also?»
    «Er ist geflüchtet, Herr.»
    «Wohin?», fragte Ragnar scharf nach.
    «Wir glauben, Richtung Westen, auf Cumbrien zu.»
    «Und Kjartan ist ihm nicht gefolgt?»
    «Kjartan, Herr, entfernt sich niemals weit von Dunholm. Er fürchtet, dass Ælfric von Bebbanburg einen Angriff auf Dunholm
     unternehmen könnte, wenn er weiter weg ist.»
    |325| «Und wohin hat Ivarr euch bestellt?», erkundigte sich Ragnar.
    «Wir sollen Herrn Ivarr in Thresk treffen», sagte Hakon.
    «In Thresk?» Ragnar war verblüfft. Thresk war eine Siedlung, die einige Meilen weiter östlich an einem See lag. Guthred war
     scheinbar Richtung Westen geflohen, und doch stellte Ivarr seine Streitmacht weit im Osten auf. Dann verstand Ragnar. «Wird
     Ivarr Eoferwic angreifen?»
    Hakon nickte. «Wenn wir Guthreds Stammsitz nehmen, Herr», sagte er, «wohin kann er dann noch gehen?»
    «Bebbanburg?», warf ich ein.
    «Guthred wird von Reitern beschattet», sagte Hakon, «und wenn er versucht, sich nach Norden zu wenden, wird Kjartan wieder
     gegen ihn ziehen.» Er berührte das Heft seines Schwertes. «Wir werden die Sachsen für immer auslöschen, Herr. Der Herr Ivarr
     wird über Eure Rückkehr glücklich sein.»
    «Meine Familie», sagte Ragnar schroff, «kämpft nicht zusammen mit Kjartan.»
    «Nicht einmal, um plündern zu können?», fragte Hakon. «Ich habe gehört, dass Eoferwic voll wertvoller Beute steckt.»
    «Eoferwic ist schon geplündert worden», sagte ich, «was kann da noch übrig sein?»
    «Genug», sagte Hakon trocken.
    Ivarr, fand ich, hatte seine Vorgehensweise sehr gut durchdacht. Guthred zog mit zu wenigen Kriegern und belastet von Priestern,
     Mönchen und einem toten Heiligen durch das Sturmwetter Northumbriens, während seine Feinde unterdessen seinen Palas und

Weitere Kostenlose Bücher