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Die Herren des Nordens

Titel: Die Herren des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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seine
     Stadt besetzen würden, und damit auch die Besatzung seiner Stadtwache in die Hand bekämen, die den wichtigsten Teil von Guthreds |326| Truppen ausmachte. Und die ganze Zeit würde Kjartan verhindern, dass Guthred die Sicherheit von Bebbanburg erreichen konnte.
    «Wessen Palas ist das hier?», fragte Ragnar.
    «Er gehörte einem Sachsen, Herr», sagte Hakon.
    «Gehörte?»
    «Er hat sein Schwert gezogen», erklärte Hakon, «deswegen sind er und all seine Leute jetzt tot. Außer zweien seiner Töchter.»
     Mit einem Heben des Kinns deutete er auf den Hintergrund des langen Raumes. «Sie sind im Kuhstall, falls Ihr sie wollt.»
    Mit der Dunkelheit erschienen weitere Dänen. Sie waren alle unterwegs nach Thresk, und der Palas bot guten Schutz vor dem
     schlechten Wetter, aus dem nun ein richtiger Sturm geworden war. Es gab genug Bier, und unweigerlich betranken sich die Männer,
     doch es war ein fröhliches Trinken, denn Guthred hatte einen schrecklichen Fehler begangen. Er war in der Überzeugung mit
     zu wenigen Männern nach Norden gezogen, dass sich die Dänen nicht mit ihm anlegen würden, und jetzt hatten diese Dänen die
     Verheißung eines leichten Sieges und reicher Beute vor Augen.
    Wir besetzten einen der Schlafpodeste, die an der Wand standen. «Was wir tun müssen», sagte Ragnar zu uns, «ist, nach Synningthwait
     zu gehen.»
    «Gleich wenn es hell wird», stimmte ich zu.
    «Warum nach Synningthwait?», wollte Beocca wissen.
    «Weil dort meine Männer sind», sagte Ragnar, «und genau das brauchen wir jetzt: Männer.»
    «Aber wir müssen Guthred suchen!», beharrte Beocca.
    «Wir brauchen Männer, um ihn zu finden», sagte ich, «und wir brauchen Schwerter.»
    Northumbrien würde in Wirren und Unsicherheit versinken, |327| und die beste Art, um solche Wirren zu überstehen, ist es, in einem Meer von Schwertern und Speeren zu schwimmen.
    Drei betrunkene Dänen hatten uns miteinander sprechen sehen, und dass wir einen christlichen Priester in unser Gespräch einbezogen,
     machte sie neugierig oder vielleicht brachte es sie auf. Sie kamen zu unserem Podest herüber und wollten wissen, wer Beocca
     sei und warum wir ihn bei uns hatten.
    «Wir haben ihn für den Fall bei uns», sagte ich, «dass uns einmal der Hunger überfällt.» Damit waren sie zufrieden, und als
     der Scherz die Runde machte, sorgte er für weiteres Gelächter.
    Über Nacht ebbte der Sturm ab. Das Donnergrollen wurde immer leiser, und auch der Regen, der auf das windzerzauste Dach peitschte,
     wurde nach und nach schwächer. Als der Morgen graute, hatte er sich in leichtes Nieseln verwandelt, und von dem Moosdach tropfte
     das Wasser. Wir legten unsere Kettenhemden und Helme an, und als sich Hakon mit den anderen Dänen Richtung Osten nach Thresk
     aufmachte, ritten wir auf die Hügel im Westen zu.
    Ich dachte an Gisela, die irgendwo in diesen Hügeln herumirrte, weil ihr Bruder sie seiner Verzweiflung geopfert hatte. Guthred
     musste geglaubt haben, das Jahr sei schon zu weit fortgeschritten, um noch Heere aufzustellen, und er käme an Dunholm vorbei
     nach Bebbanburg, ohne dass sich ihm die Dänen entgegenstellten. Und jetzt war er kurz davor, alles zu verlieren. «Wenn wir
     ihn finden», fragte Beocca mich, «können wir ihn dann in den Süden zu Alfred bringen?»
    «In den Süden zu Alfred?», fragte ich zurück. «Warum sollten wir das tun?»
    |328| «Damit er überlebt. Wenn er Christ ist, wird man ihn in Wessex willkommen heißen.»
    «Alfred will, dass er hier König bleibt», sagte ich.
    «Dafür ist es zu spät», sagte Beocca mit düsterer Miene.
    «Nein», sagte ich, «es ist nicht zu spät.» Beocca starrte mich an, als sei ich verrückt geworden, und vielleicht war es auch
     so, doch in all den Wirren, die Northumbrien heimsuchten, hatte Ivarr eines nicht bedacht. Er glaubte nämlich, er habe schon
     gewonnen. Er zog seine Kräfte zusammen, während Guthred von Kjartan in das unwegsame Kernland Northumbriens getrieben wurde,
     wo in all der Kälte, dem Wind und dem Regen keine Streitmacht lange durchhalten konnte. Aber Ivarr hatte Ragnar vergessen.
     Ragnar war lange weit weg gewesen, doch immer noch besaß er einen Streifen Land in den Hügeln, und dort lebten Männer, und
     diese Männer hatten Ragnar den Treueid geschworen.
    Und so ritten wir nach Synningthwait, und meine Kehle war wie zugeschnürt, als wir in das Tal galoppierten, denn ich hatte
     als Kind ganz nahe bei Synningthwait gelebt. Hier hatte mich

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