Die Herren des Nordens
ein Wikinger zu
sein, |334| wäre ich zum Schäfer geworden. Ich will frei sein. Ich habe zu lange als Geisel gelebt, und jetzt will ich meine Freiheit
behalten. Ich will den Wind in meinen Segeln und meine Schwerter in der Sonne blitzen sehen. Ich will mir keine Pflichten
aufbürden.» Mit einem Mal grinste er, als sei er gerade eine schwere Bürde losgeworden. «Ich möchte reicher als jeder König
sein», verkündete er seinen Männern, «und ich werde euch alle zusammen mit mir reich machen.»
«Wer soll also König sein?», fragte Rollo.
«Guthred», sagte Ragnar.
«Gott sei gepriesen», sagte Beocca.
«Still», zischte ich.
Ragnars Männer waren nicht sehr froh über diese Wahl. Der bärtige, magere Rollo, der Ragnar treu ergeben war, sprach für alle.
«Guthred bevorzugt die Christen», sagte er. «Er ist mehr Sachse als Däne. Er will uns alle dazu bringen, ihren angenagelten
Gott anzubeten.»
«Er wird tun, was er gesagt bekommt», äußerte ich mit fester Stimme, «und als Erstes sagen wir ihm, dass kein Däne den Zehnten
an ihre Kirche zahlen wird. Er wird ein König sein, wie es Egbert war, und gehorsam die dänischen Forderungen erfüllen.» Beocca
neben mir stotterte irgendetwas, aber ich beachtete ihn nicht. «Worauf es ankommt», fuhr ich fort, «ist, welcher Däne ihm
seine Anordnungen gibt. Soll es Ivarr sein? Kjartan? Oder Ragnar?»
«Ragnar!», riefen die Männer.
«Und mein Wunsch», Ragnar war näher an das Feuer gerückt, und im leuchtenden Flammenschein wirkte er größer und kräftiger,
«mein Wunsch», wiederholte er, «ist es, Kjartan geschlagen zu sehen. Wenn Ivarr Guthred besiegt, dann wird Kjartan mächtiger
werden, und Kjartan ist mein Feind. Er ist unser Feind. Zwischen seiner Familie |335| und meiner wird eine Blutfehde ausgetragen, und ich will diese Fehde nun zu Ende bringen. Wir ziehen los, um Guthred zu helfen,
aber wenn uns Guthred nicht bei der Eroberung Dunholms unterstützt, dann schwöre ich euch, werde ich Guthred und alle seine
Leute umbringen und den Thron besetzen. Aber ich wate lieber in Kjartans Blut, als zum König aller Dänen zu werden. Ich schlachte
lieber Kjartan ab, als über die ganze Welt zu herrschen. Ich habe mit Guthred keinen Streit. Und mit den Sachsen auch nicht.
Und auch nicht mit den Christen. Ich streite mich mit Kjartan dem Grausamen.»
«Und in Dunholm», sagte ich, «liegt ein Hort Silber, der den Göttern würdig wäre.»
«Also werden wir Guthred suchen», verkündete Ragnar, «und für ihn kämpfen.»
Kurz zuvor hatten die Männer noch gewollt, dass Ragnar sie gegen Guthred führte, aber nun jubelten sie bei der Aussicht, dass
sie für den König kämpfen sollten. Etwa siebzig Krieger saßen um das Feuer, das waren nicht viele, aber sie gehörten zu den
besten in Northumbrien, und sie trommelten mit ihren Schwertern auf ihre Schilde und riefen Ragnars Namen.
«Jetzt könnt Ihr reden», erklärte ich Beocca.
Aber er hatte nichts zu sagen.
Und in der nächsten Morgendämmerung ritten wir unter einem klaren Himmel los, um Guthred zu finden.
Und Gisela.
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|337| DRITTER TEIL
Schattenwandler
|339| ACHT
Zusammen mit Steapa und mir waren wir sechsundsiebzig Kämpfer. Alle waren beritten, und alle waren bewaffnet und trugen Kettenhemden
oder gute Lederrüstungen und Helme. Zwei Dutzend Bedienstete auf kleineren Pferden kümmerten sich um die Schilde und führten
unsere Ersatzpferde. Aber diese Diener kämpften nicht, und deshalb waren sie bei den sechsundsiebzig nicht mitgezählt. Früher
hatte Ragnar mehr als zweihundert Krieger zu den Waffen rufen können, doch viele von ihnen waren bei Ethandun gefallen, und
andere hatten während seiner langen Monate als Geisel neue Herren gefunden, aber sechsundsiebzig war immer noch eine gute
Anzahl. «Und diese Männer sind echte Krieger», erklärte er mir stolz.
Er ritt unter seinem Banner, der Adlerschwinge. Es war eine echte Adlerschwinge, die an eine lange Stange genagelt worden
war, und seinen Helm schmückten zwei weitere dieser Schwingen. «Davon habe ich geträumt», erzählte er mir, während wir nach
Osten ritten, «ich habe davon geträumt, in den Krieg zu ziehen. In meiner ganzen Zeit als Geisel wollte ich in den Krieg ziehen.
Es gibt nichts Besseres im Leben, Uhtred, einfach nichts!»
«Frauen?», fragte ich.
«Frauen und Krieg!», sagte er. «Frauen und Krieg!» Er stieß einen Freudenschrei aus, und sein Hengst legte
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