Die Herren des Nordens
töten.»
«Aber wenn wir ihn doch nicht besiegen können», sagte Guthred verwirrt.
«Wir stellen uns zum Kampf gegen ihn», sagte ich und brachte Guthred damit noch weiter durcheinander, «und wenn wir ihn nicht
schlagen können, dann ziehen wir uns nach Dunholm zurück. Dafür haben wir es doch eingenommen, als Rückzugsmöglichkeit.»
«Wir überlassen den Göttern die Entscheidung», erklärte Ragnar, und weil wir so zuversichtlich waren, fragte Guthred nicht
weiter.
Am gleichen Abend erreichten wir Cetreht. Wir waren schnell vorwärtsgekommen, weil wir die ganze Strecke lang auf der Römerstraße
bleiben konnten, und als die Sonne die Hügel im Westen rot färbte, durchquerten wir bei einer Furt den Swale. Die Geistlichen
hatten, statt sich in die Hügel zurückzuziehen, die kargen Annehmlichkeiten Cetrehts vorgezogen, und niemand hatte sie belästigt,
während wir nach Dunholm geritten waren. Sie hatten in den südlich gelegenen Hügeln dänische Reiter gesehen, doch keiner dieser
Berittenen hatte sich der Festung genähert. Die Reiter hatten sie beobachtet, durchgezählt und waren wieder abgezogen, und
ich vermutete, dass diese Männer Späher von Ivarr gewesen waren.
|450| Pater Hrothweard und Abt Eadred zeigten sich nicht sehr beeindruckt davon, dass wir Dunholm erobert hatten. Alles, was sie
kümmerte, war der Leichnam des Heiligen und die anderen wertvollen Reliquien, die sie noch am Abend auf dem Friedhof ausgruben
und in einer feierlichen Prozession in die Kirche trugen. Bei dieser Gelegenheit traf ich auf Aidan, den Verwalter von Bebbanburg,
und seine zwei Dutzend Männer, mit denen er im Dorf gewartet hatte. «Ihr könnt nun sicher nach Hause reiten», erklärte ich
ihm, «denn Kjartan ist tot.»
Aidan glaubte mir nicht sofort. Dann verstand er, was uns gelungen war, und er musste gefürchtet haben, dass die Männer, die
Dunholm eingenommen hatten, als Nächstes gegen Bebbanburg ziehen würden. Und genau das wollte ich auch tun, aber ich hatte
geschworen, noch vor der Heiligen Nacht zu Alfred zurückzukehren, und deshalb blieb mir nicht genug Zeit, um meinen Onkel
herauszufordern.
«Wir sollten morgen früh aufbrechen», sagte Aidan.
«Das werdet Ihr», stimmte ich zu, «und wenn Ihr Bebbanburg erreicht habt, dann werdet Ihr meinem Onkel berichten, dass ich
in Gedanken unablässig bei ihm bin. Ihr werdet ihm berichten, dass ich seine Braut genommen habe. Und Ihr werdet ihm an meiner
statt versprechen, dass ich ihm eines Tages den Bauch aufschlitzen werde, und wenn er stirbt, bevor ich dieses Versprechen
erfüllen kann, dann versprecht ihm an meiner statt, dass ich zum Ersatz seinen Söhnen die Eingeweide aus dem Bauch reißen
werde, und wenn seine Söhne ebenfalls Söhne haben, dann töte ich auch sie. Sagt ihm all das, und sagt ihm, dass die Leute
gedacht haben, Dunholm sei ebenso wie Bebbanburg uneinnehmbar, und dass Dunholm unter meinem Schwert gefallen ist.»
«Ivarr wird Euch töten», sagte Aidan höhnisch.
|451| «Darauf würde ich nicht wetten», sagte ich.
In dieser Nacht beteten ausnahmslos alle Christen. Sie versammelten sich in der Kirche, und ich dachte, sie würden vielleicht
ihren Gott um den Sieg über die heranrückende Streitmacht Ivarrs bitten, doch stattdessen dankten sie ihm nur dafür, dass
er die wertvollen Reliquien beschützt hatte. Sie stellten den geöffneten Sarg mit Sankt Cuthberts Leiche vor dem Altar auf,
den sie mit dem Kopf des Heiligen Oswald, dem Evangeliar und dem Reliquiar mit den Barthaaren des Heiligen Augustinus geschmückt
hatten. Sie sangen Hymnen, sie beteten, sangen noch mehr Hymnen, und ich dachte schon, sie würden niemals mehr aufhören zu
beten, doch dann, mitten im dunklen Herzen der Nacht, waren sie endlich still.
Ich lief auf dem niedrigen Festungswall entlang und musterte unter dem schwachen Licht des abnehmenden Mondes den Verlauf
der Römerstraße Richtung Süden. Von dort würde Ivarr kommen, und ich konnte nicht sicher sein, dass er keine sorgfältig ausgewählte
Reitergruppe zu einem nächtlichen Angriff losschicken würde, und deshalb hatte ich hundert Männer in den Gassen des Dorfes
Aufstellung nehmen lassen. Doch der Angriff blieb aus, und als in der Dunkelheit Nebel aufstieg und die Felder mit einem Schleier
überzog, kam Ragnar, um mich abzulösen. «Wir werden morgen früh Reif bekommen», sagte er zu mir.
«Das werden wir», stimmte ich zu.
Er stampfte mit den Füßen
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