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Die Herren des Nordens

Titel: Die Herren des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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auf die Finger Sankt Cuthberts und spürte den großen Rubinring. Ich drückte auf den Stein, nur um festzustellen,
     ob er lose war und vielleicht |95| herausfallen würde, doch er schien fest in seiner Fassung zu sitzen. «Ich schwöre, Euch zu dienen», sagte ich zu der Leiche,
     «und treu für Euch einzustehen.» Ich versuchte noch einmal, den Ring zu bewegen, aber die toten Finger waren steif, und der
     Rubin bewegte sich nicht.
    «Schwört Ihr bei Eurem Leben?», fragte Eadred streng.
    Erneut wollte ich den Ring drehen, und erneut blieb er unbeweglich. «Ich schwöre bei meinem Leben», sagte ich ehrerbietig,
     und niemals mehr in meinem ganzen langen Leben habe ich einen Schwur so leicht genommen. Wie kann ein Eid bindend sein, den
     man einem Toten leistet?
    «Und Ihr schwört, König Guthred treu zu dienen?»
    «Das tue ich», sagte ich.
    «Sodass seine Feinde auch Eure Feinde sind?»
    «Ich schwöre es», sagte ich.
    «Und Ihr werdet Sankt Cuthbert bis in den Tod hinein dienen?»
    «Das werde ich.»
    «Dann dürft Ihr den seligen Cuthbert küssen», sagte Eadred. Ich beugte mich über den Sarg, um die gefalteten Hände zu küssen.
     «Nein!», hinderte mich Eadred. «Auf die Lippen!» Ich rutschte auf den Knien weiter nach oben, beugte mich erneut hinab und
     küsste den Leichnam auf seine vertrockneten, kratzigen Lippen.
    «Gott sei gelobt», sagte Eadred. Dann ließ er Guthred schwören, Cuthbert zu dienen, und die Menge verfolgte, wie sich der
     Sklavenkönig hinkniete und den Leichnam küsste. Dann sangen die Mönche, während es den Leuten in der Kirche erlaubt wurde,
     selbst einen Blick auf Cuthbert zu werfen. Hild erschauerte, als sie an den Sarg kam, und fiel mit tränenüberströmtem Gesicht
     auf die Knie, sodass ich ihr aufhelfen und sie wegführen musste. Willibald war |96| gleichermaßen überwältigt, doch sein Gesicht strahlte einfach nur vor Freude. Mir fiel auf, dass sich Gisela nicht vor dem
     Leichnam verneigte. Sie betrachtete ihn neugierig, doch es war klar zu erkennen, dass er ihr nichts bedeutete, und daraus
     schloss ich, sie müsse immer noch Heidin sein. Sie starrte den toten Mann an, richtete dann ihren Blick auf mich und lächelte.
     Ihre Augen, so ging es mir durch den Kopf, strahlten leuchtender als der Rubin am Finger des toten Heiligen.
    Und so kam Guthred nach Cair Ligualid. Ich dachte damals, und denke es immer noch, dass all das Narrheit war, aber es war
     zauberische Narrheit, und der Totenkrieger mit dem Schwert hatte sich zum Vasallen eines toten Mannes gemacht, und der Sklave
     war zum König geworden.
    Die Götter vergnügten sich.
     
    Später, viel später, wurde mir klar, dass ich tat, was Alfred von mir gewollt hätte. Ich unterstützte die Christen. In diesen
     Jahren wüteten zwei Kriege. Der offensichtliche Kampf spielte sich zwischen Sachsen und Dänen ab, doch es gab auch eine Schlacht
     zwischen Heiden und Christen. Die meisten Dänen waren Heiden, und die meisten Sachsen waren Christen, sodass beide Kriege
     derselbe Kampf zu sein schienen, aber in Northumbrien kam alles durcheinander, und genau darin bestand die Gewitztheit Abt
     Eadreds.
    Denn Eadred beendete in Cumbrien den Krieg zwischen Sachsen und Dänen, und das tat er, indem er Guthred auswählte. Guthred
     war natürlich Däne, und das bedeutete, dass die Dänen in Cumbrien bereit waren, ihm Gefolgschaft zu leisten und, weil er von
     einem sächsischen Abt zum König ausgerufen worden war, stellten sich auch die Sachsen darauf ein, ihn zu unterstützen. Auf
     diese Weise |97| wurden die beiden größten kriegführenden Stämme Cumbriens, die Dänen und die Sachsen, geeint, während die Britonen – und in
     Cumbrien lebten noch genug Britonen – ebenfalls Christen waren, deren Priester ihnen sagten, sie sollten Eadreds Wahl anerkennen.
     Also taten sie es.
    Es ist eine Sache, einen König auszurufen, und eine andere, tatsächlich zu regieren. Doch Eadred hatte eine kluge Wahl getroffen.
     Guthred war ein guter Mann, aber er war auch der Sohn Hardnicuts, der sich selbst König von Northumbrien genannt hatte, also
     hatte Guthred einen Anspruch auf die Krone, und keiner der Thegn von Cumbrien war mächtig genug, um ihn herauszufordern. Sie
     brauchten einen König, denn schon zu lange befehdeten sie sich untereinander, und zu lange hatten sie unter den Raubzügen
     der Nordmänner aus Irland und den wilden Einfällen aus Strath Clota gelitten. Guthred konnte durch die Vereinigung der Dänen
     und

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