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Die Herren des Nordens

Titel: Die Herren des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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zu dessen Rechter du nun im ewigen Glanz des Himmels sitzest, Amen.»
    «Amen», fielen die Mönche ein. Die Mönche, die der Truhe am nächsten waren, hatten sich aufgerichtet, sodass sie den unverwesten
     Heiligen sehen konnten, und die meisten von ihnen weinten, als sie das gelbliche Gesicht betrachteten.
    Eadred wandte sich wieder an mich. «In dieser Kirche, junger Herr», sagte er, «befindet sich die geistliche Seele Northumbriens.
     Hier, in diesen Kästen, sind unsere Wunder, unsere Schätze, unsere Herrlichkeit und die Wege, auf denen wir uns an Gott wenden,
     um seinen Schutz zu erbitten. Solange diese wertvollen und heiligen Dinge sicher sind, sind auch wir sicher, und einst», bei
     diesen Worten erhob er sich, und seine Stimme klang heftiger, «einst standen all diese Dinge unter dem Schutz der Herren von
     Bebbanburg. Doch dieser Schutz hat versagt! Die Heiden sind gekommen, die Mönche wurden abgeschlachtet, und die Männer von
     Bebbanburg haben sich hinter ihren Befestigungsmauern verschanzt, statt die Heiden niederzumachen. |93| Doch unsere Vorfahren in Christus haben diese heiligen Dinge gerettet, und seitdem ziehen wir umher, ziehen durch wilde Landstriche,
     und immer noch hüten wir diese Dinge, doch eines Tages werden wir eine große Kirche errichten, und diese Reliquien werden
     ihren Glanz über ein heiliges Land verbreiten. Und dieses heilige Land liegt dort, wohin ich diese Leute geführt habe!» Er
     deutete auf die Menschenmenge vor der Kirche. «Gott hat mir eine Streitmacht gesandt», rief er, «und diese Streitmacht wird
     siegen. Aber ich bin nicht derjenige, der sie anführen wird. Gott und der Heilige Cuthbert haben mir einen Traum zuteil werden
     lassen, in dem sie mir den König gezeigt haben, der uns alle ins Gelobte Land bringen wird. Sie haben mir König Guthred gezeigt!»
    Er stand auf und hob Guthreds Arm, und diese Geste ließ die ganze Versammlung in Jubel ausbrechen. Guthred wirkte eher überrascht
     als königlich, und ich sah bloß hinunter auf den toten Heiligen.
    Cuthbert war der Abt und der Bischof auf Lindisfarena gewesen, der Insel, die nördlich von Bebbanburg nahe an der Küste liegt,
     und fast zweihundert Jahre lang hatte sein Körper in einer Krypta auf der Insel gelegen. Dann waren die Überfälle der Nordmänner
     zu bedrohlich geworden, und die Mönche hatten den heiligen Leichnam auf dem Festland in Sicherheit gebracht. Seitdem zogen
     sie in Northumbrien umher. Ich missfiel Eadred, weil meine Familie die heiligen Reliquien nicht beschützt hatte, aber die
     Stärke von Bebbanburg bestand in seiner Lage auf einer umtosten Klippe, und nur ein Narr würde jenseits seiner Mauern einen
     Kampf anfangen. Wenn ich die Wahl hätte, Bebbanburg zu halten oder eine Reliquie aufzugeben, würde ich sämtliche Heiligen
     dreingeben. Heilige Leichname sind billig, aber Festungen wie Bebbanburg sind selten.
    |94| «Seht!», rief Eadred, der immer noch Guthreds Arm in die Höhe hielt. «Der König von Haliwerfolkland!»
    Der König wovon? Ich glaubte, mich verhört zu haben, aber das hatte ich nicht. Haliwerfolkland hatte Eadred gesagt und des
     Heiligen Mannes Land gemeint. So bezeichnete Eadred das Königreich Guthreds. Der Heilige Mann war natürlich Sankt Cuthbert,
     aber wer auch immer sein Land als König regierte, würde zum Schaf zwischen Wölfen. Ivarr, Kjartan und mein Onkel waren die
     Wölfe. Sie waren diejenigen, die geübte Krieger anführten, während Eadred hoffte, ein Königreich auf einem Traum aufbauen
     zu können, und ich zweifelte keinen Moment daran, dass dieses traumgeborene Schaf von den Wölfen zerrissen werden würde. Dennoch
     war Cair Ligualid im Augenblick mein bester Unterschlupf in Northumbrien, denn so mussten meine Feinde die Hügel überqueren,
     um mich zu bekämpfen, und außerdem gefiel mir diese Art Wahnsinn, die hier herrschte. Im Wahnsinn liegt Veränderung, in der
     Veränderung finden sich günstige Gelegenheiten, und günstige Gelegenheiten bedeuten Reichtümer.
    «Und jetzt», Eadred ließ Guthreds Hand los, «werdet Ihr Eurem König und seinem Land die Treue schwören.»
    Guthred zwinkerte mir zu, also ließ ich mich gehorsam auf die Knie nieder und griff nach seiner rechten Hand, doch Eadred
     schob meine Hand weg. «Ihr schwört auf den Heiligen», zischte er mir zu.
    «Auf den Heiligen?»
    «Legt Eure Hände auf die hochheiligen Hände Sankt Cuthberts», befahl mir Eadred, «und sprecht die Formel.»
    Ich legte meine Hände

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