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Die Herren des Nordens

Titel: Die Herren des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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beunruhigt
     aus. Dann zwang er sich zu einem Lächeln. «Könnt Ihr die Festung einnehmen?»
    «Ich glaube, wir können Kjartan von hier vertreiben, Herr.»
    «Wie?», fragte er.
    |183| «Ich werde heute Nacht einen Zauber vorbereiten, Herr», erklärte ich ihm, «und morgen redet Ihr mit ihm. Sagt ihm, wenn er
     bleibt, werdet Ihr ihn vernichten. Sagt ihm, dass Ihr damit anfangt, seine Bauernhöfe und seine Sklavenpferche in Gyruum niederzubrennen.
     Versichert ihm, dass er seinen gesamten Besitz verlieren wird. Gebt Kjartan zu verstehen, dass ihn nichts als Tod, Feuer und
     Elend erwarten, solange er hierbleibt. Und dann bietet Ihr ihm einen Ausweg an. Stellt es ihm frei, in ein Land über dem Meer
     zu segeln.» Das wollte ich zwar nicht, denn am liebsten hätte ich gesehen, wie sich Kjartan der Grausame unter Schlangenhauch
     wand, aber meine Rache war weniger wichtig, als Kjartan aus Dunholm herauszubekommen.
    «Also macht Euren Zauber», sagte Guthred zu mir.
    «Und wenn es gelingt, Herr, versprecht Ihr mir dann, die Festung nicht an Ivarr zu geben?»
    Er zögerte, dann streckte er mir seine Hand entgegen. «Wenn es gelingt, Freund», sagte er, «dann, verspreche ich, werde ich
     sie Euch übergeben.»
    «Ich danke Euch, Herr», sagte ich, und Guthred belohnte mich mit seinem ansteckenden Lächeln.
    Kjartans Wachen mussten sich gewundert haben, als wir an diesem Nachmittag davonritten. Wir entfernten uns nicht weit, sondern
     lagerten an einer Hügelflanke nördlich der Festung, und wir entzündeten Feuer, um Kjartan wissen zu lassen, dass wir noch
     in der Nähe waren. Dann, als die Nacht gekommen war, ritt ich mit Sihtric zurück nach Dunholm. Ich machte mich an meinen Zauber,
     mit dem ich Kjartan das Entsetzen lehren wollte, und dafür musste ich ein Sceadugengan werden, ein Schattenwandler. Die Sceadugengan
     wandern durch die Nacht, in der es ehrliche Männer ängstigt, das Haus zu verlassen. Denn in der Nacht suchen seltsame Wesen
     die Erde heim, dann |184| durchstreifen Wechselgestalten, Geister, Elfen, Untiere und zottige Männer das Land.
    Doch ich hatte mich in der Dunkelheit immer wohlgefühlt. Von Kindertagen an hatte ich das Schattenwandeln geübt, bis ich selbst
     zu einem der Wesen geworden war, das die Menschen fürchten, und in dieser Nacht ging ich mit Sihtric den Pfad hinauf, der
     zu Dunholms großem Tor führte. Sihtric führte unsere Pferde, und ebenso wie er zitterten sie vor Furcht. Ich hatte Mühe, auf
     dem Pfad zu bleiben, denn Wolken waren vor den Mond gezogen, sodass ich meinen Weg ertasten musste, indem ich mit Schlangenhauch
     als Stab nach Büschen und Felsen spürte. Wir bewegten uns langsam, und Sihtric hing an meinem Umhang, um mich nicht zu verlieren.
     Als wir etwas weiter nach oben gekommen waren, wurde es leichter, denn in der Festung brannten Feuer, und der Widerschein
     ihrer Flammen drang wie ein Leitstrahl über die Palisade. Ich machte die Schattenumrisse der Schildwachen auf dem Haupttor
     aus, doch sie konnten uns nicht sehen, als wir einen Vorsprung erreichten, an dem sich der Pfad leicht senkte, bevor er das
     letzte lange Stück bis zum Tor wieder anstieg. Der gesamte Abhang zwischen dem kurzen Felsvorsprung und der Palisade war von
     jedem Baumbewuchs befreit worden, sodass sich kein Feind ungesehen an die Verteidigungsanlage schleichen und einen Überfall
     versuchen konnte.
    «Du bleibst hier», sagte ich zu Sihtric. Ich brauchte ihn, um die Pferde zu bewachen und meinen Schild, meinen Helm und den
     Sack mit den abgeschlagenen Köpfen zu tragen, den ich ihm jetzt abnahm. Dann befahl ich ihm, sich hinter den Bäumen zu verstecken
     und zu warten.
    Darauf legte ich die Köpfe auf den Pfad, den ersten nur fünfzig Schritte von dem Tor entfernt, den letzten nahe |185| an die Bäume, die am Rand des Felsvorsprungs wuchsen. Die Maden wimmelten unter meinen Händen, wenn ich wieder einen Kopf
     aus dem Sack holte. Ich richtete die toten Augen der verwesenden Schädel im Dunkeln nach Gefühl in Richtung der Festung aus,
     sodass meine Hände glitschig vor Schleim waren, als ich mein Vorhaben beendet hatte. Niemand hörte mich, niemand sah mich.
     Die Dunkelheit hüllte mich ein, der Wind strich seufzend über den Hügel, und laut rauschte der Fluss durch sein felsiges Bett.
     Ich ging zurück zu Sihtric, der vor Angst bebte, ließ mir von ihm das schwarze Tuch geben, wand es um mein Gesicht und verknotete
     es im Nacken. Dann drückte ich meinen Helm über das

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