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Die Herren des Nordens

Titel: Die Herren des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Leinen und nahm meinen Schild. Und dann wartete ich.
    In einer bewölkten Morgendämmerung wird es nur langsam hell. Zuerst kriecht kaum mehr als eine Andeutung von grauem Schein
     am östlichen Himmel entlang, und eine Weile ist es weder hell noch dunkel, und es gibt keine Schatten, nur das kalte Grau,
     das sich ausbreitet, während die Fledermäuse, die Schattensegler, in ihre Höhlen zurückjagen. Die Bäume werden schwarz, während
     der Himmel heller wird, und dann verleihen die ersten Sonnenstrahlen der Welt wieder ihre Farben. Dann hörte ich Vögel zwitschern.
     Nicht so viele wie im Frühling oder Frühsommer, aber ich hörte doch Zaunkönige, Zilpzalpe und Rotkehlchen den Tag begrüßen,
     und unter mir, wo die Bäume standen, hämmerte ein Specht. Die schwarzen Bäume waren jetzt dunkelgrün, und nicht weit entfernt
     erkannte ich die hellroten Beeren einer Eberesche. Und in diesem Moment entdeckten die Wachen die Köpfe. Ich hörte Rufe, weitere
     Männer kamen auf den Wall, und ich wartete. Das Banner über dem Haupttor war gehisst, und immer mehr Männer erschienen auf
     dem Wall, und dann |186| wurde das Tor geöffnet, und zwei Männer traten vorsichtig heraus. Hinter ihnen wurde das Tor wieder geschlossen, und ich hörte
     den dumpfen Schlag, mit dem der mächtige Schließbalken an seinen Platz zurückfiel. Die beiden Männer zögerten. Ich stand mit
     gezogenem Schwert hinter den Bäumen verborgen. Die Wangenstücke meines Helmes waren geöffnet, sodass der Raum zwischen den
     Rändern von dem schwarzen Leintuch ausgefüllt wurde. Ich trug einen schwarzen Umhang über meinem Kettenhemd, das Hild mit
     Flusssand gescheuert und zum Glänzen gebracht hatte, und hohe, schwarze Stiefel. Ich war wieder der Totenkrieger mit dem Schwert,
     und ich beobachtete die zwei Männer, wie sie vorsichtig den Pfad hinunter auf die Reihe mit den Köpfen zugingen. Als sie den
     ersten blutverschmierten Schädel erreicht hatten, rief einer der beiden zur Festung zurück, der Kopf gehöre einem von Tekils
     Leuten. Dann fragte er, was er tun solle.
    Die Antwort gab Kjartan. Ich war sicher, dass er es war, obwohl ich sein Gesicht nicht sehen konnte. «Tretet sie weg!», brüllte
     er, und die beiden gehorchten. Sie traten an die Köpfe, sodass sie von dem Pfad herunter in das hohe Gras rollten, wo die
     Bäume gefällt worden waren.
    So kamen sie mir immer näher, bis nur noch einer von den sieben Köpfen übrig war, und gerade als sie ihn erreicht hatten,
     trat ich unter den Bäumen hervor.
    Sie sahen einen gesichtslosen Krieger vor sich, schimmernd und groß und bewaffnet mit Schwert und Schild. Sie sahen den Totenkrieger
     mit dem Schwert, und ich stand einfach nur da, kaum zehn Schritte von ihnen entfernt, und ich bewegte mich nicht, und ich
     sprach nicht, und sie starrten mich an, und einer machte ein Geräusch wie ein maunzendes Kätzchen, und dann, ohne ein weiteres
     Wort, stürzten sie Hals über Kopf davon.
    |187| So stand ich da, als die Sonne aufging. Kjartan und seine Männer waren wie gelähmt von meinem Anblick. Im Frühlicht des Tages
     war ich der schattengesichtige Tod in blendender Rüstung, der Tod mit blitzendem Helm, und dann, bevor sie entscheiden konnten,
     die Hunde auf mich zu hetzen, um zu entdecken, dass ich keine Geistererscheinung war, zog ich mich in die Schatten unter den
     Bäumen zurück, wo Sihtric auf mich wartete.
    Ich hatte alles getan, um Kjartan in Furcht und Schrecken zu versetzen. Jetzt musste Guthred ihn zur Aufgabe überreden, und
     dann, so wagte ich zu hoffen, wäre die mächtige Festung auf dem Felsen mein und Gisela ebenso, und ich wagte all das zu hoffen,
     weil Guthred mein Freund war. Ich sah meine Zukunft ebenso glänzend vor mir liegen wie Guthreds. Ich sah, wie ich die Blutfehde
     gewann, ich sah, wie meine Männer Bebbanburgs Ländereien überfielen, um meinen Onkel zu schwächen, und ich sah, wie Ragnar
     nach Northumbrien zurückkehrte, um an meiner Seite zu kämpfen. Kurz gesagt: Ich vergaß die Götter und spann meinen eigenen
     goldenen Schicksalsfaden, und die drei Spinnerinnen am Fuß des Weltenbaumes lachten dazu.
     
    Noch bevor es Mittag wurde, kehrten wir mit dreißig Reitern nach Dunholm zurück. Clapa hatte mit einem Blätterzweig die Spitze
     übernommen, um anzuzeigen, dass wir in Frieden kamen. Wir alle trugen Kettenhemden, wenn ich auch meinen guten Helm bei Sihtric
     gelassen hatte. Es war mir durch den Sinn gegangen, als Totenkrieger mit dem

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