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Die Herren des Nordens

Titel: Die Herren des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Dänemark oder anderen Nordländern anzugreifen. Diese Piraten galten als Ausgestoßene, sie galten gar nichts, und dennoch
     wurden sie gefürchtet. Die meisten wurden gejagt und die Mannschaften getötet oder versklavt, und dennoch entschieden sich
     manche Männer für dieses Leben als Außenseiter, denn wenn es ihnen gelang, auch nur ein reiches Schiff wie den
Trader
aufzubringen, gewannen sie ein Vermögen, das ihnen Ansehen, Macht und Anerkennung brachte. Doch wir entkamen in dieser Nacht,
     und am nächsten Tag segelten wir weiter nordwärts und immer weiter nordwärts, und als der Abend kam, legten wir nicht an und
     ebenso wenig an vielen weiteren Abenden. Dann sah ich eines Morgens eine |228| schreckliche, schwarze Klippenküste vor uns, an deren zerklüfteten Felsen sich wild schäumend die Wellen brachen, und dachte,
     wir hätten das Ziel unserer Fahrt erreicht. Doch wir gingen nicht an Land. Stattdessen segelten wir weiter nach Westen und
     darauf ein Stück nach Süden, und dann erreichten wir endlich eine Inselbucht, in der wir ankerten.
    Zuerst glaubte Finan, wir seien in Irland, doch die Leute, die in einem kleinen Lederboot zum
Trader
kamen, sprachen nicht seine Sprache. Vor der gesamten Nordküste Britanniens liegen Inseln, und dies war vermutlich eine davon.
     Auf diesen Inseln leben Wilde, und Sverri ging nicht an Land, doch er handelte gegen ein paar dürftige Münzen von den Wilden
     Möweneier, Trockenfisch und Ziegenfleisch ein. Am nächsten Morgen ruderten wir unter lebhaftem Wind weiter, und wir ruderten
     den ganzen Tag nach Westen durch die Ödnis des wilden Meeres. Ragnar der Ältere hatte mich vor diesen Gewässern gewarnt und
     erzählt, dass es hinter ihnen weitere Länder gab, dass die meisten Männer, die versucht hatten, dorthin zu gelangen, jedoch
     niemals zurückgekehrt waren. In diesen westlichen Ländern, so erklärte er mir, wohnten die Seelen der toten Seeleute. Die
     Landschaften waren farblos, nebelverhangen und sturmgepeitscht, und dennoch fuhren wir geradewegs dorthin, und Sverri stand
     mit glücklicher Miene am Ruder, und an dieses Gefühl des Glücks konnte auch ich mich erinnern. Ich erinnerte mich an die schiere
     Freude, am Ruder eines guten Schiffs zu stehen und sein pulsierendes Leben durch den festen Griff ums Steuer zu spüren.
    Unsere Fahrt dauerte zwei Wochen. Wir folgten dem Pfad der Wale, und die Seekolosse wälzten sich herum, um uns anzusehen,
     oder bliesen Wasser hoch, und die Luft wurde kälter, und der Himmel war immerzu bewölkt, und |229| ich wusste, dass in Sverris Mannschaft Unruhe herrschte. Sie dachten, wir hätten uns verirrt, und das dachte ich auch, und
     ich glaubte, mein Leben würde am Saum dieses Meeres zu Ende gehen, wo riesige Strudel die Schiffe in den Tod ziehen. Seevögel
     zogen ihre Kreise über uns, ihre Schreie verhallten in der weißen Kälte, und die großen Wale tauchten unter uns, und wir ruderten,
     bis wir unsere Rücken vor lauter Schmerzen nicht mehr spürten. Schaumgekrönte Wellen türmten sich zu grauen Bergen auf, unendlich
     und kalt, und wir hatten nur an einem Tag günstigen Wind, sodass wir unter dem Segel fahren konnten, während die mächtigen
     grauen Wellen zischend an unserem Schiff entlangglitten.
    Und so kamen wir nach Horn im Land des Feuers, das manche Leute Thule nennen. Berge rauchten dort, und wir hörten Geschichten
     von zauberischen Becken voll heißen Wassers, obwohl ich selbst keines davon sah. Und es war auch nicht nur ein Land des Feuers,
     sondern eine Unendlichkeit voller Eis. Es gab Berge aus Eis, Flüsse aus Eis und Platten aus Eis, die in den Himmel ragten.
     Es gab Kabeljau, der länger war, als ein Mann groß ist, und wir hatten dort gut zu essen, und Sverri war glücklich. Die Leute
     fürchteten die Reise, die wir gerade gemacht hatten, und ihm war sie gelungen, und in Thule war seine Fracht dreimal mehr
     wert als in Dänemark oder im Frankenreich, obwohl er natürlich einige Stücke der teuren Warenladung als Abgabe an das Oberhaupt
     des Ortes geben musste. Doch er verkaufte die übrigen Metallbarren und nahm Walknochen, Stoßzähne von Walrössern und Robbenhäute
     an Bord und wusste, dass er sehr viel Geld verdienen würde, wenn er sie heil bis nach Hause brächte. Er war so guter Stimmung,
     dass er uns sogar an Land gehen ließ, wo wir in einem Langhaus, das nach Walfleisch stank, Birkenwein |230| zu trinken bekamen. Wir waren alle in Ketten, und die gewöhnlichen Fußketten

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