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Die Herren des Nordens

Titel: Die Herren des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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hatte Sverri noch durch Ketten um unsere Hälse
     ergänzt. Außerdem ließ er uns von Männern aus dem Ort bewachen. Drei von diesen Wächtern waren mit den langen, schweren Speeren
     bewaffnet, mit denen die Männer aus Thule auf Walfang gehen, während vier weitere breite Tranmesser trugen. Sverri konnte
     sich auf sie verlassen, und das wusste er auch, und während all der Monate, die ich mit ihm verbrachte, ließ er sich hier
     das einzige Mal herab, mit uns zu sprechen. Er prahlte mit der Reise, die hinter uns lag, und lobte sogar unsere Fähigkeiten
     am Ruder. «Aber ihr zwei hasst mich», sagte er und sah zuerst Finan und dann mich an.
    Ich sagte nichts.
    «Der Birkenwein ist gut», sagte Finan, «dafür danke ich Euch.»
    «Der Birkenwein ist Walrosspisse», sagte Sverri und rülpste. Er war betrunken. «Ihr hasst mich», wiederholte er, weil ihn
     unser Hass verunsicherte. «Ich habe euch beobachtet, und ihr hasst mich. Die anderen, die hat die Peitsche zur Vernunft gebracht,
     aber ihr zwei würdet mich umbringen, ohne mit der Wimper zu zucken. Am besten bringe ich euch gleich selber um, oder? Ich
     sollte euch der See zum Opfer bringen.» Keiner von uns erwiderte darauf etwas. Ein Birkenscheit brach funkensprühend im Feuer.
     «Aber ihr rudert gut», sagte Sverri. «Einmal habe ich einen Sklaven freigelassen», fuhr er fort, «ich habe ihn freigelassen,
     weil ich ihn mochte. Ich habe ihm vertraut. Ich habe ihn sogar ans Steuerruder gelassen, aber er hat trotzdem versucht mich
     umzubringen. Und wisst ihr, was ich mit ihm gemacht habe? Ich habe seinen dreckigen Körper an den Bug genagelt und ihn dort
     langsam verrotten lassen. Ich habe meine Lektion gelernt. Ihr seid da, um zu |231| rudern. Sonst nichts. Ihr rudert, und ihr arbeitet, und ihr sterbt.» Kurz darauf schlief er ein, und auch wir schliefen ein,
     und am nächsten Morgen waren wir wieder an Bord des
Trader,
und unter peitschendem Regen verließen wir dieses merkwürdige Land aus Feuer und Eis.
    Die Fahrt zurück Richtung Osten war viel kürzer, da wir vor einem günstigen Wind segeln konnten. Wieder überwinterten wir
     in Jütland. Wir zitterten in der Sklavenhütte, und nachts hörten wir Sverri im Bett seiner Frau grunzen. Der Schnee kam, das
     Ufer fror zu, und so brach das Jahr 880 an, und ich war dreiundzwanzig Jahre alt und wusste, dass es mir bestimmt war, in
     Ketten zu sterben, denn Sverri war aufmerksam, schlau und erbarmungslos.
    Und dann kam das rote Schiff.
     
    Das Schiff war nicht wirklich rot. Die meisten Schiffe werden aus Eichenholz gebaut, das mit der Zeit dunkel wird, doch dieses
     Schiff war aus Kiefernholz, und wenn das Licht morgens oder abends schräg übers Meer fiel, schien es die Farbe gerinnenden
     Blutes zu haben.
    Als wir es zuerst sahen, wirkte es glutrot. Das war an dem Abend, an dem wir wieder auf See gegangen waren und das rote Schiff
     lang und niedrig und schlank aufgetaucht war. Es kreuzte am östlichen Horizont und kam schräg auf uns zu, und über sein schmutzig
     graues Segel liefen die Spannseile, und Sverri sah den Tierkopf an seinem Bug und hielt es für ein Piratenschiff, sodass er
     den
Trader
in die Küstengewässer lenkte, die er gut kannte. Das Wasser dort war seicht, und das rote Schiff zögerte, die Verfolgung aufzunehmen.
     Wir ruderten durch schmale Wasserläufe, scheuchten Wildvögel auf, und das rote Schiff blieb in Sichtweite, doch es hielt sich
     vor den Dünen, und dann kam der Abend, und wir änderten unseren Kurs und ließen |232| uns von der Ebbe hinaus auf die offene See tragen, und Sverris Männer peitschten uns, damit wir so schnell wie möglich von
     der Küste wegruderten. Die Morgendämmerung brach kalt und neblig an, aber als sich der Nebel hob, war das rote Schiff verschwunden.
    Wir fuhren nach Haithabu, um die erste Fracht des Jahres aufzunehmen, doch als wir uns dem Hafen näherten, entdeckte Sverri
     das rote Schiff erneut, und als es sich in unsere Richtung wandte, fluchte er. Wir konnten mit dem Wind davonsegeln, was es
     uns leicht machte, zu entkommen, aber auch so versuchte das rote Schiff uns einzuholen. Sie ruderten und weil sie wenigstens
     zwanzig Ruderbänke hatten, waren sie viel schneller als der
Trader
, doch den Vorsprung, den uns der Wind gegeben hatte, konnten sie nicht aufholen, sodass wir am nächsten Morgen wieder allein
     auf einer leeren See waren. Sverri verfluchte das rote Schiff dennoch. Er warf seine Runenstäbe, und sie überzeugten ihn

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