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Die Herren des Nordens

Titel: Die Herren des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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genannt», sagte er, «weil ich um die Feinde herumtanzte. Ich tanzte, und ich tötete. Tanzen
     und Töten.» Er schlitzte den nächsten Fisch auf und schnippte die Innereien in den Schnee, wo sich zwei Möwen darum stritten.
     «Früher», fuhr er wütend fort, «besaß ich fünf Speere, sechs Pferde, zwei Schwerter, ein schimmerndes Kettenhemd, einen Schild
     und einen Helm, der so hell leuchtete wie das Feuer. Ich hatte eine Frau mit Haaren bis zur Hüfte und einem Lächeln, das die
     Mittagssonne in den Schatten stellte. Und jetzt nehme ich Heringe aus.» Er stieß das Messer in einen Fisch. «Und eines Tages
     komme ich hierher zurück und bringe Sverri um, bumse seine Frau, erwürge seine Brut und stehle sein Geld.» Er lachte roh.
     «Er hat alles hier. Das ganze Geld. Hat es vergraben.»
    «Weißt du das genau?»
    «Was sollte er sonst damit tun? Er frisst es nicht, schließlich scheißt er kein Silber, oder? Nein, es ist hier.»
    «Wo immer hier auch ist», sagte ich.
    «Jütland», sagte er. «Die Frau ist Dänin. Wir kommen jeden Winter hierher.»
    «Seit wie vielen Wintern?»
    «Das ist mein dritter», sagte Finan.
    «Und wie hat er dich gefangen?»
    Er warf den nächsten gereinigten Fisch in den Binsenkorb. «Es gab einen Kampf. Wir gegen die Nordmänner, und die Bastarde
     haben uns geschlagen. Ich wurde gefangen, und die Bastarde haben mich an Sverri verkauft. Und du?»
    «Verraten von meinem Herrn.»
    «Also noch ein Bastard, der den Tod verdient hat, was? Mein Herr hat mich auch verraten.»
    |221| «Wie?»
    «Er hat mich nicht freigekauft. Er wollte meine Frau, verstehst du? Also hat er mich gehen lassen, und diese Freundlichkeit
     vergelte ich ihm, indem ich darum bete, dass er stirbt und seine Frau die Kiefernsperre bekommt und sein Vieh die Drehkrankheit
     und dass seine Kinder in ihrer eigenen Scheiße verrecken und sein Getreide verdorrt und seine Hunde ersticken.» Er bebte vor
     unbändigem Zorn.
    Graupel löste den Schnee ab, und langsam schmolz das Eis am Ufer der Bucht. Aus abgelagertem Fichtenholz vom letzten Jahr
     machten wir neue Ruder, und als sie fertig waren, war das Eis verschwunden. Grauer Nebel lag über dem Land, und erste Blumen
     zeigten sich am Saum der Schilfwiesen. Fischreiher stelzten durch die Untiefen, wenn die Morgensonne die dünne Eisschicht
     der Nacht hatte schmelzen lassen. Der Frühling kam, und wir kalfaterten den
Trader
mit Tierhaaren, Teer und Moos. Wir reinigten das Schiff und ließen es zu Wasser, luden den Ballast in den Kielraum, richteten
     den Mast auf und befestigten das gereinigte und geflickte Segel an der Rah. Sverri umarmte seine Frau, küsste seine Kinder
     und watete zum Schiff. Zwei seiner Leute hievten ihn an Bord, und wir griffen nach den Rudern.
    «Rudert, ihr Bastarde!», rief er. «Rudert!»
    Und wir ruderten.
     
    Wut kann dich am Leben halten, aber mehr auch nicht. Manchmal, wenn ich krank war und mich zu schwach fühlte, um zu rudern,
     ruderte ich trotzdem, denn wenn ich ins Stocken gekommen wäre, hätten sie mich über Bord geworfen. Ich ruderte, während ich
     kotzte, ruderte, während ich schwitzte, ruderte, während ich zitterte, und |222| ich ruderte, während jeder Muskel in meinem Körper schmerzte. Ich ruderte unter Regen und Sonne und Wind und Graupel. Einmal
     hatte ich Fieber und dachte, ich würde sterben. Ich wollte sogar sterben, aber Finan flüsterte mir Beschimpfungen zu. «Du
     schwächlicher Sachse», stachelte er mich an, «du bist ein Weichling. Ein Jammerlappen, du sächsischer Abschaum.» Ich grunzte
     eine Erwiderung, und er knurrte mich erneut an, dieses Mal lauter, sodass es Hakka im Bug hörte. «Sie wollen, dass du stirbst,
     du Bastard», sagte Finan, «also tu ihnen den Gefallen nicht. Rudere, du Sachsenschwächling, rudere.» Hakka schlug ihn dafür,
     dass er gesprochen hatte. Ein anderes Mal tat ich das Gleiche für Finan. Ich erinnere mich, ihn in den Armen gehalten und
     ihm mit den Fingern Getreidebrei in den Mund geschoben zu haben. «Bleib am Leben, du Bastard», befahl ich ihm, «diese Earslinge
     sollen uns nicht kleinkriegen. Lebe!» Und er lebte weiter.
    In diesem Sommer fuhren wir nach Norden. Wir ruderten einen Fluss hinauf, der sich durch eine Landschaft aus Moos und Birken
     wand, die so weit nördlich lag, dass sich an Schattenplätzen immer noch Schnee hielt. Wir kauften Rentierhufe in einem Dorf
     zwischen den Birken und kehrten mit ihnen auf die See zurück, tauschten sie gegen Stoßzähne

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