Die Herrin der Kathedrale
und Gedanken gestalten kann.«
»Eine direkte Verbindung zum Herrn«, wiederholte Uta angetan. Eine solche könnte sie bezüglich ihrer Familienangelegenheit auch gebrauchen.
Hermann deutete auf seine Zeichnung. »Ich möchte die neue Kirche direkt an die kleine Burgkirche anbauen. Ganz aus Stein. Mit Gewölben, anstatt einer brennbaren Holzdecke.« Sofort erinnerte Uta sich an die Mainzer Kathedrale, in der König Konrad gekrönt und deren hölzerne Dachkonstruktion durch einen Brand zerstört worden war. »Ein Gotteshaus mit steinernen Gewölben«, sagte sie ehrfurchtsvoll.
»Sogar mit einem Langhaus«, entgegnete er schmunzelnd, sein Gesicht nur eine Handbreit von ihrem entfernt. Uta lächelte ebenfalls. Was für einen warmen Gesichtsausdruck er doch hat, dachte sie und meinte gleichzeitig, hellbraune Punkte in seinen dunklen Augen tanzen zu sehen.
Gemeinsam zuckten sie zusammen, als die Eingangstür der Schreibstube geöffnet wurde. »Bruder, ich habe dich schon überall gesucht!« Ekkehard von Naumburg trat ein und schaute sich in der Bücherkammer um.
Beklommen begann Uta, die Pergamente zu sortieren. Einen tiefen Atemzug lang betrachtete Hermann Uta weiter, bevor er sich dem Bruder zuwandte. »Wie kann ich dir helfen, Ekkehard?«
»Ich muss dich auf ein wichtiges Gespräch in den Hof bitten.«
Hermann nickte betreten. Dann nahm er den gezeichneten Lageplan an sich, lächelte Uta noch einmal an und folgte seinem Bruder nach draußen.
Sprachlos setzte sich Uta auf den Stuhl und blickte ihm hinterher.
Unerwartet verstarb am nächsten Tag Bischof Leo von Vercelli. Der Königshof erwies ihm noch die letzte Ehre, bevor er weiter durch die Lombardei Richtung Adria zog. Erste Kampfeshandlungen setzten bei der Stadt Pavia ein. Der königliche Hof weilte in sicherer Entfernung außerhalb der Stadt. Nach der Unterwerfung Pavias umritt der Zug in den Folgetagen Piacenza und Cremona und gelangte dann vor die Stadt Ravenna.
»Die Ravennesen teilen uns auf die ihnen eigene Art mit, dass wir unerwünscht sind«, erklärte die Königin, die mit dem Hofstaat in den Wäldern um Ravenna auf die rückkehrenden Kämpfer wartete und vor ihrem Zelt zusammen mit ihren Hofdamen ein einfaches Abendmahl einnahm. »Mit Heugabeln, Eisenwaffen und Brandwurfsätzen versuchen sie zu Fuß und zu Pferd, unsere Kämpfer in die Gassen zu drängen und dort niederzuringen.«
»Geht es den Heerführern denn gut, Königliche Hoheit?«, fragte Elisabeth ängstlich.
Auch Uta dachte an die Gefahren, denen der Bruder ausgesetzt war, obwohl sie Esiko nicht mehr gesprochen, geschweige denn sich wieder mit ihm versöhnt hatte.
»Mein Gemahl sendet jeden Abend einen Boten. Unser Heer hat bisher keine nennenswerten Verluste zu beklagen«, erklärte Gisela ruhig.
»Und was sagt der Bote über den heutigen Tag?«, fragte Adriana nach.
»Heute«, Gisela zögerte, »ist noch kein Bote eingetroffen.«
»Was mag das bedeuten?«, wollte Uta wissen und hörte auf zu essen.
Auch Elisabeth schaute die Königin mit fragenden Augen an.
»Wir müssen auf jeden Fall Ruhe bewahren«, gab Gisela zurück.
»Ruhe bewahren?«, flüsterte Grete ängstlich.
Die Hofdamen schauten sich besorgt an.
»Spielt etwas für uns«, sagte die Königin daraufhin zu Elisabeth.
Die nickte und erschien nach kurzer Zeit mit der Harfe. Sie ließ sich neben der Königin nieder und begann, mit den Fingerspitzen über die Saiten des Instruments zu gleiten und ihm eine melancholische Melodie zu entlocken.
Uta betrachtete Elisabeth besorgt. Die Kölnerin sah seit einiger Zeit müde aus. Außerdem war sie dünner geworden und hatte auch heute kaum mehr als ein Eichhörnchen gegessen. Ihr grünes Lieblingskleid mit der weißen Borte an den Ärmeln warf an der einst prallen Taille Falten.
»Sie kommen«, brüllte plötzlich jemand. »Der König reitet ein!«
Die Königin ließ sich einen Kienspan geben und ging den Kämpfern umringt von ihren Leibwachen entgegen. Ihre Hofdamen folgten ihr in gebührendem Abstand. Als sie näher kamen, bot sich ihnen ein schrecklicher Anblick.
König Konrad selbst saß mit blutverkrustetem Gesicht auf seinem Pferd. Sein Kettenhemd und die Brünne waren zerfleddert. Die Kämpfer hinter ihm sahen noch geschundener aus. Esiko hing mehr auf seinem Pferd, als dass er ritt.
»Wartet«, sagte Uta und zog Elisabeth zurück, als die auf Esiko zustürzen wollte. Der Anblick des Bruders, dem ein gegnerisches Schwert das Ohr verletzt haben musste und dessen
Weitere Kostenlose Bücher