Die Herrin der Kathedrale
blondes Haar rot getränkt vom Blut war, ließ auch Uta nicht kalt. Sie presste Elisabeths Hand in der ihren.
»Wir haben die Ravennesen unterworfen!«, rief König Konrad über den Platz. »Sie haben ihren Herrscher kraft des eigenen Blutes anerkannt.« Der Hof und das zurückgebliebene Heer jubelten den Siegern zu. Schnell wurden Wassertröge herangetragen, um die Kämpfer zu stärken, die zusätzlich von unerträglicher Hitze und unsäglichem Durst geplagt worden waren.
Erzbischof Aribo, der während der Kämpfe im Lager geweilt hatte, trat vor seinen König: »Heute Abend noch erwarten wir Markgraf Hermann zurück. Er verhandelt darüber, wie wir die Schäden, die dem Volk und der Stadt während der Kämpfe entstanden sind, wiedergutmachen können. Schließlich brauchen wir die Unterstützung der Ravennesen. Ihr könnt als zukünftiger Kaiser nur mit ihnen und nicht gegen sie regieren.« Konrad nickte und schaute unter den argwöhnischen Augen des Erzbischofs zu seiner Gattin, die auf ihn zuging und seine Hand ergriff.
»Schön, dass Ihr wohlbehalten zurück seid, Hoheit.« Gisela blickte dem Gatten tief in die Augen.
Konrad streichelte daraufhin ihr Gesicht. »Die Sommertage lassen an Hitze und Feuchtigkeit nicht nach. Einige der Kämpfer sind in ihren Rüstungen geradezu gekocht worden.« Besorgt schüttelte er den Kopf und wandte sich wieder seinen Leuten zu: »Hiermit verhänge ich ein Rüstungsverbot. In den nächsten Tagen reiten wir über die Etsch zurück nach Norden in kühlere Gefilde, um dort das Sommerlager aufzuschlagen. Und nun lasst uns ruhen. Wir benötigen wahrlich neue Kraft und Zeit zum Durchatmen.«
Einige Tage später rüstete sich der Tross, um nach Norden zu ziehen. Uta, Grete, Elisabeth und Adriana kamen gerade von Mechthilds Krankenlager. Sie waren guter Laune, weil es der Freundin mit jedem Tag besserging und die Aussicht auf ein Nachlassen der Hitze weitere Genesung versprach. Sobald Mechthild schmerzfrei sitzen könnte, wollte Uta ihr, wie sie es versprochen hatte, etwas zum Lesen mitbringen.
Kurz vor dem Hofdamenzelt bemerkte Grete einen Knappen, der ihnen gefolgt war. »Was ist Euer Begehr?«, fragte sie, nachdem sie sich zu ihm umgedreht hatte. Dabei fiel ihr Blick auf den verbundenen Arm des vielleicht Sechzehnjährigen, der auch im Gesicht blutige Striemen aufwies.
»Für Uta von Ballenstedt«, erwiderte der junge Mann und hielt ihnen ein gefaltetes Pergament hin.
Begleitet von den neugierigen Blicken der anderen ergriff Uta das Schreiben. »Sicherlich eine Abschrift von Kaplan Wipo.«
»Der Kaplan schickt dir einen Knappen?«, fragte Grete verwundert. »Sonst bringt er dir die Abschriften doch persönlich.«
»So wenige Tage nach den erschöpfenden Kämpfen hat er bereits etwas geschrieben?«, bemerkte nun auch Adriana verwundert.
Verwirrt faltete Uta das brüchige Pergament auseinander.
Darauf sah sie zwei Kreuze in zwei Ovalen und weitere Striche ringförmig darum herum. »Die kleine Burgkirche, das neue Gotteshaus und die Umfriedung der Stadt«, formten ihre Lippen tonlos. Es war der Lageplan, den Hermann von Naumburg in der Bibliothek von Vercelli skizziert hatte! Beim Anblick der Zeichnung kribbelte es ihr auf der Haut, und sie sah das Gesicht des Markgrafen erneut nur eine Handbreit von ihrem entfernt. Braune Punkte tanzten in seiner Iris.
»Du strahlst, als ob du einen Brief vom Heiligen Vater persönlich in den Händen halten würdest«, bemerkte Grete. Verunsichert blickte Uta auf.
»Ich wusste nicht, dass Kirchenrecht so faszinierend ist«, lächelte Adriana und stieß Uta verschwörerisch in die Seite.
Uta lächelte zurück, senkte den Blick im nächsten Moment aber wieder nachdenklich auf das Pergament. Mit glühenden Wangen las sie den Satz unter der Zeichnung: In Vercelli ist mein Traum schon ein Stück weit in Erfüllung gegangen. Uta lächelte in sich hinein. Seinen Traum – so hatte er sein Vorhaben genannt. In Gedanken hörte sie seine Stimme, die von dem neuen Gotteshaus schwärmte.
»Worüber schreibt der Kaplan, dass es dich so verzückt?«, fragte Adriana und versuchte erfolglos auf das Pergament zu linsen.
Uta faltete das Schreiben vorsichtig zusammen. »Über das Träumen«, entgegnete sie und lief, begleitet vom Schmunzeln der anderen Hofdamen, auf ihr Zelt zu.
Der königliche Tross lagerte auf dem Weg ins nördliche Sommerlager an einer Etschschleife vor Mailand. Die erste Tageshälfte war für Uta wegen der Hitze, die nach wie vor
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