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Die Herrin der Kathedrale

Die Herrin der Kathedrale

Titel: Die Herrin der Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Beinert , Nadja
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Schwaben
    Überwältigt fiel Uta auf die Knie. Endlich war es so weit! Am Tag von Christi Geburt durfte sie vor dem kaiserlichen Gericht Anklage erheben. Lange verharrte sie einfach nur reglos in ihrer Haltung und vermochte ihr Glück nicht zu fassen. Dann kam ihr Hazecha in den Sinn: Ihr musste sie sofort Nachricht senden, dass sie noch vor dem Fest nach Naumburg kommen sollte, um den Kampf um Gerechtigkeit gemeinsam mit ihr zu Ende zu bringen. Wie vor den Mauern des Gernroder Klosters besprochen, würde sie ihr den Stallburschen schicken, der sich an der Pforte nach Luft ringend Zutritt zur Krankenstation verschaffen sollte.
    Bis die Schwester eintraf, wollte Uta die Anklage Wort für Wort vorbereiten. Selbst an der Festigkeit ihrer Stimme würde sie arbeiten, damit während ihres Vortrages an dem Wahrheitsgehalt ihrer Worte keinerlei Zweifel aufkommen konnten.
    »Ihr seid zurück, Graf?«
    »Es herrscht wieder einmal Waffenstillstand im Osten. Ich bin auf der Durchreise!« Esiko betrachtete seinen Verwalter abschätzig. »Du stinkst schärfer als ein Ziegenstall, bleib mir vom Leib!«, brummte er und nahm dann drei Stufen auf einmal, woraufhin von Spungnitz sich entspannt auf der Außentreppe des Wohnturmes niederließ und seinen Weinschlauch vom Gürtel nestelte.
    Am oberen Ende der Treppe hielt Esiko inne und warf einen Blick in den Gang, der zu seiner Kammer führte. Hier war er als Kind oft mit Uta um die Wette gelaufen. Verbittert kniff er die Augen zusammen. Auch wenn er stets Erster gewesen war, hatte sie die mütterliche Anerkennung erhalten. Anerkennung, die Hidda von der Lausitz, ihm hätte zollen müssen. Bisher hatte er es noch keinen Augenblick lang bereut, sie – die Wurzel allen Übels, seines Übels – beseitigt zu haben. Dem Vater war es nur recht und danach ein Leichtes gewesen, Gerüchte über das Fleckfieber zu streuen.
    Bevor Esiko auf seine Kammer zuging, warf er einen wütenden Blick nach unten auf die Tür der Kemenate, die seine beiden Schwestern einst bewohnt hatten. Die Vorstellung, Uta könnte ihm auch im Erwachsenenleben den Vorrang streitig machen, hatte ihn all die Jahre über dazu angetrieben, seine Stellung auszubauen und Macht zu gewinnen.
    Wenn weiterhin alles nach Plan verläuft, dachte er, die Hand bereits am Türschloss, werde ich Uta wieder auf die Ballenstedter Burg zurückholen – als verstoßene Gräfin – ohne Pfründe und ohne jeden Glanz, der dann noch von ihm abzulenken vermochte. Er wäre dann derjenige, der der Familie zu höchster Ehre gereichte. Bald, sehr bald schon würde sie vor ihm knien und bereuen, und zwar an jenem Ort, dessen Riegel er in diesem Moment umlegte: in seiner Kemenate. Als er die Kammer betrat und zur Bettstatt schaute, stockte ihm jedoch der Atem. Der Platz davor war leer! Aufgeregt schritt er umher und starrte dabei immer wieder auf die leere Stelle. Urplötzlich riss er das Fensterleder beiseite und brüllte nach dem Verwalter. »Von Spungnitz!«
    Erschrocken fuhr der Angesprochene zusammen und wankte die Treppen hinauf, so dass ihm der Weinschlauch entglitt und sich die kostbare Flüssigkeit im Hof vergoss.
    »Wer verdammt war hier oben?«, rief Esiko erzürnt.
    Von Spungnitz zuckte mit den Schultern und wollte schon wieder nach unten gehen, um seinen Schlauch zu retten, als Esiko rief: »Beweg dich sofort zu mir herauf!«
    »Was gibt es?«, fragte er, als er nach einer Weile endlich taumelnd die Kammer betrat.
    Augenblicklich zerrte Esiko ihn vor die Bettstatt. »Warst du hier oben?«
    Von Spungnitz wusste nicht, wie ihm geschah, und schüttelte den Kopf, als er die wutentbrannten Augen seines Herrn auf sich gerichtet sah. »Niemand war hier«, meinte er.
    »Du lügst!« Esiko verschärfte seinen Griff um den Hals des Verwalters.
    Mit derart zugedrückter Kehle kam von Spungnitz die Erinnerung wieder. Immerhin lag es beinahe ein ganzes Jahr zurück. »Da waren nur Pilger«, antwortete er kleinlaut.
    »Pilger?«, schrie Esiko aufgebracht.
    Von Spungnitz nickte hastig. »Die waren lange in der Kapelle und nur eine Nacht hier.«
    Esiko warf den Mann auf die Bettstatt und setzte sich anschließend auf ihn. »Du hast sie hier heraufgelassen, du Idiot?«
    »Sie haben extra bezahlt für die Kammer, Herr«, versuchte dieser sich zu rechtfertigen, als er auf einmal eine Klinge an seiner Kehle spürte.
    »Extra bezahlt?«, kommentierte Esiko höhnisch und begann im nächsten Augenblick, die mit Entzündungen übersäte, großporige Haut des

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