Die Herrin der Kathedrale
Mainz unter seiner Führung mit dem Kaiser zusammenzubringen: Das durch die Bedingungen der Waffenruhe stark verkleinerte Herzogtum Polen hatte sich seines neuen Herrschers Bezprym nur kurz erfreuen können – er war vor kurzem ermordet worden. Und Mieszko trat dem Kaiser derart gestärkt entgegen, dass er die vor keinem Jahr zugesicherten Friedensbedingungen nun als unannehmbar zurückwies. Aribo schnalzte mit der Zunge.
»Es wird für zweihundert erlesene Gäste aufgedeckt«, erklärte Wipo. »Wir haben keine Kosten gespart, wie Euer Exzellenz befohlen haben.«
Aribo nickte knapp und konzentrierte sich wieder auf das Pergament in seinen Händen. Darin bat der Meißener Markgraf den Kaiser, Kaufleute aus Gene umgehend zur Übersiedlung nach Naumburg bewegen zu dürfen, indem er ihnen mit kaiserlicher Vollmacht Grund und Boden mit Zinsfreiheit, freiem Verfügungsrecht sowie Handelsfreiheit gewährte. Zudem fragte Hermann von Naumburg das Marktrecht nach. Er schrieb von der vorteilhaften Nähe der Stadt zur königlichen Handelsstraße, die von Mainz kommend, vorbei an seiner Burg, in die slawischen Reichsgebiete führte. Der Transport von Waren würde damit auf direktem und viel begangenem Weg sichergestellt sein. »Ihr könnt jetzt gehen«, forderte Aribo, ohne von dem Schreiben aufzusehen.
Nachdem sein erster Kaplan die Arbeitskammer verlassen hatte, trank Aribo einen Schluck vom bereitgestellten Wein und sank zurück in seinen Stuhl. »Wenn ich schon den Heiligen Vater in den Griff bekommen habe, sollte mir das Gleiche erst recht mit dem Naumburger Markgrafen gelingen«, murmelte er vor sich hin, nachdem die Angelegenheit um den Entzug seines Palliums nun erst einmal wieder in den tiefen Wassern des Vatikans ruhte. Endlich!, dachte Aribo. Doch er würde weiterhin vorsichtig sein müssen. Neuer Papst war nun Theophylakt. Gerade zehn Jahre alt und wieder aus dem Hause der Tusculaner. Der Neffe seines Vorgängers. Aribo trank aus und erhob sich. Besonnen legte er seine rote, festliche Dalmatika um, die ansonsten jedoch so schlicht gehalten war, dass sie seinem Pallium, das Aribo nunmehr im Begriff war, sorgfältig zu plazieren, keinesfalls die Aufmerksamkeit stehlen konnte.
Doch bevor er sich zur Runde der Herrscher gesellte, überließ er das Bittschreiben des Naumburger Markgrafen erst noch dem alles verzehrenden Feuer seines Kamins.
24 Zitiert aus: Institutio Sanctimonialium, http://www.geldria-religiosa.de , Kapitel IV. – Kurzer Auszug aus dem Brief des Caecilius Cyprianus über das (richtige) Verhalten der Jungfrauen.
25 Zitiert aus: Dioskurides: De Materia Medica, in der Übersetzung von Julius Berendes, 1902, http://www.pharmawiki.ch/materiamedica/images/Dioskurides.pdf , S. 117.
TEIL IV – DIE KRONE ALLER ANSTRENGUNG
Die Jahre 1032 bis 1038
11. VOLLMOND
Mehr als wollene Decken können wir vielen unserer Patienten als Lager derzeit nicht bieten. Schaut dort drüben, Gräfin.« Schwester Margit deutete auf eine Reihe von Kranken, die dicht gedrängt nebeneinander auf dem Boden lagen, und sagte: »Bitte folgt mir auch in den hinteren Raum.« Dort angekommen, beugte sie sich zu einem Patienten mit entstelltem Gesicht hinab und strich ihm zur Beruhigung über den Kopf. »Wir möchten niemanden abweisen, der sich Heilung von der heiligen Plantilla wünscht; erst recht nicht, wo nun ein weiterer Zug nach Osten ansteht«, erklärte sie Uta und bedeutete einer Schwester, sich des Mannes anzunehmen.
»Über wie viele zusätzliche Betten reden wir, Schwester Margit?«, fragte Uta mit besorgtem Blick auf die vielen Kranken, obwohl sie der Gedanke an den dritten Feldzug gegen Mieszko weitaus stärker beschäftigte: Was mehr konnten Menschen denn noch tun, als Frieden zu verhandeln und sich auf die Zusage des anderen verlassen. Ein Geruchsgemisch aus Eiter und Kräutern stieg ihr in die Nase.
»Über zwanzig Betten, Gräfin.« Margit tupfte sich mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn und reichte einem Patienten frisches Wasser zum Trinken. »Und einen, nein, besser zwei große Räume, in denen wir die Betten aufstellen können.«
Die beiden Frauen traten in den Garten. »Dies ist die Außenmauer der Krankenstation«, erklärte Margit. »Wenn wir für die zwei neuen Räume ein Stück Garten abgeben, haben unsere Pflanzen und das Gemüse immer noch Platz genug. Auch die letzten Ruhestätten wären davon nicht betroffen.« Unweit der Kräuterbeete ragten Holzkreuze aus dem Boden. Uta schirmte die Augen
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