Die Herrin der Kathedrale
mit Meister Tassilo ab und lasse Euch und die Äbtissin wissen, wann wir mit der Arbeit beginnen können«, schlug Uta dann vor.
»Gräfin!« Katrina kam schwer atmend in den Klostergarten gerannt. »Die Außenmauer des Gartens misst genau neunzig Fuß!«, verkündete sie das Ergebnis ihres Auftrages, die Länge des Gartens zu vermessen.
»Woher wusstet Ihr …?«, fragte Margit verdutzt.
Uta lächelte. »Dann könnten wir die beiden Kammern viermal so lang wie breit machen«, erklärte sie und verfiel erneut in Grübelei über die Ausführung der Bauarbeiten.
»Während der Vermessung vor der Außenmauer habe ich außerdem einen Boten in die Vorburg einreiten sehen, Gräfin«, berichtete Katrina. »Er trug ein Banner mit der kaiserlichen Krone.«
Daraufhin blickte Uta in die Ferne. »Entschuldigt mich, Schwester!«
»Gott segne Euch, Gräfin, und Gott segne Euch, Fräulein Katrina. Wir schließen die Kämpfer in unser tägliches Gebet mit ein«, verabschiedete sich Margit, nachdem sie die beiden hinausbegeleitet hatte und Schwester Kora auf sich zuhalten sah.
Uta eilte über die Zugbrücke der Vorburg an den Unterständen für die Holzvorräte vorbei auf das Tor der Hauptburg zu, wo sie auch schon den Boten sah, dessen Banner tatsächlich die kaiserliche Krone mit der Form eines Oktogons, besetzt mit farbigen Edelsteinen, zeigte.
Nachdem die beiden Wachen in Utas Richtung zeigten, wendete der Bote sein Pferd und ritt ihr entgegen. »Ihr seid Uta von Ballenstedt, die Herrin dieser Burg?«
Uta nickte und erstarrte zugleich, als der Bote ein gesiegeltes Schreiben aus der Satteltasche seines Pferdes hervorholte.
»Gibt es schlimme Nachrichten vom dritten Feldzug? Ist dem Grafen etwas …«
»Eine Nachricht der Kaiserin für Euch.«
Ungeduldig ergriff Uta das Pergament und ließ es in ihrem Gewand verschwinden. »Habt Dank«, sagte sie schließlich.
»Wenn Ihr Euch nach der langen Reise etwas stärken wollt, begebt Euch in die Burgküche.« Uta deutete auf die Wirtschaftsgebäude in der Hauptburg.
Nachdem der Reiter dankbar genickt hatte und erneut auf die Wachen der Hauptburg zuritt, ergriff Uta Katrinas Hand.
»Begleite mich zur kleinen Burgkirche«, bat sie.
Dort angekommen, ließ sie Katrina im Erdgeschoss zurück und stieg die Treppen zur Krypta hinab. Dieses Mal ohne Begleitung – der nächste Vollmond war erst in einigen Tagen. Mit jedem Schritt hinab meinte sie, seine Hand um die ihre zu spüren. Jeder Vollmondabend war zum Tag ihres gemeinsamen Gebetes geworden.
Uta trat in die Mitte der Krypta. In zwei der Ecken brannte ein Talglicht, das ausreichend Helligkeit bot. Aufgeregt zog sie das Pergament unter dem Gewand hervor. »Das Siegel der Kaiserin«, hauchte sie und strich mit dem Daumen über die unvergleichlich weiche Oberfläche des Pergamentes, das zuvor noch niemals beschrieben worden war. Dann erbrach sie das Siegel und begann, das Pergament zu entfalten. Es war ungewöhnlich dick und ließ sich nur schwer glätten. Das Schriftbild, das sich ihr zeigte, war überaus fein, ohne die geringsten Verläufe oder Verwischungen. Utas Augen flogen über die schwarzen Buchstaben:
Treue Uta, Gräfin von Naumburg.
Mit Wohlwollen und Erschrecken zugleich habe ich Eure Nachricht aufgenommen. Zuerst möchte ich mein Entsetzen angesichts Eurer Schilderung mitteilen.
Danach gelten meine Gebete den Leidenden. Der Allmächtige legt jedem von uns eine Prüfung auf, die es zu bestehen gilt. Die Berichte der kaiserlichen Boten aus den Gegenden des polnischen Herzogtums sprechen von einem schwierigen Vorankommen, aber bisher gibt es keine Verluste zu beklagen. Man berichtete uns sogar, dass der selbstgekrönte König Mieszko nicht einmal mehr tausend Männer hinter sich hat.
Zuversichtlich blickte Uta auf. Würde nun endlich dauerhafter Frieden eintreten? Dann hätte die Kathedrale ihren größten Auftrag erfüllt. Aufgeregt las sie weiter:
Der Grund meines Schreibens ist, dass ich Euch hiermit wissen lasse, dass Kaiser Konrad und ich gedenken, das kommende Fest der Geburt Jesu Christi bei Euch auf dem Burgberg der Kämpfer-Kathedrale mit einer heiligen Messe zu begehen. Dort sollt Ihr auch Gelegenheit finden, Euer Anliegen, für das Ihr mich um Eideshilfe gebeten habt, vor dem kaiserlichen Gericht vorzutragen.
Gott beschütze Euch und die Euren.
Gegeben bei Magdeburg am Fest der Gottesmutter Anna, im Jahre 1032 nach des Wortes Fleischwerdung.
Von Gott erwählte Kaiserin, Gisela von
Weitere Kostenlose Bücher