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Die Herrin der Kathedrale

Die Herrin der Kathedrale

Titel: Die Herrin der Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Beinert , Nadja
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die Mutter dieses Elend nicht mehr mit anzusehen!« Zur Bestärkung seines Missfallens ließ er sie los und trat kraftvoll auf den Andorn.
    Schützend hielt sich Hazecha die Hände vor das Gesicht. Als sie sich in der Hoffnung erhob, er würde von dem Beet ablassen, war er sofort bei ihr. »Für dein Schweigen wirst du büßen, Hazechalein«, kündigte er an.
    Hazecha schluckte, blieb aber stumm. An Christi Geburt ist es so weit!, machte sie sich Mut. Und danach würde sie nie mehr Angst vor ihm haben müssen. Langsam hob Hazecha den Kopf. Entschlossen blickte sie den Bruder an. »Ich weiß nichts!«
    Esiko lächelte.
    Dann griff er nach einer lange Strähne ihres Haares und zwirbelte sie spielerisch zwischen den Fingern.
    Atemlos ließ sie es geschehen. Ganz starr stand Hazecha vor dem Bruder und glaubte, dass er ihr die Kehle damit zuschnüren würde.
    »Zuerst aber ist deine ältere Schwester dran, und dafür muss ich mir nicht mal selber die Hände schmutzig machen!«, sagte er mit gesenkter Stimme. Bis zur Verstoßung Utas war es nur noch drei Mondumläufe hin, und Esiko war sich sicher, dass es schon mit dem Teufel zugehen musste, wenn seine Schwester jetzt noch schwanger werden würde.
    »Wir sehen uns wieder Hazechalein«, verabschiedete er sich. Kurz vor dem Klostergebäude wandte er sich noch einmal zu ihr um und sah, wie sie den dreckigen Schleier vom Boden aufhob. »Miststück, schwesterliches!«
    Ganze zehn Tage nach Esikos Besuch hatte auch Äbtissin Adelheid Gernrode wieder verlassen. Endlich war es so weit. Im Dunkel des Schlafsaales legte Hazecha sich den Umhang um und ließ ihre Wachspuppe darunter verschwinden. Nach Alwines Anleitung hatte sie diese vor vielen Jahren geschnitzt, ihr die Gesichtszüge Utas gegeben und sogar noch deren Vierkantspange im wächsernen Haar detailgetreu nachgebildet. Anstelle von Edelsteinen hatte sie winzige, glänzende Steinchen verwendet. Weiterhin griff sie nach Schleier und Schuhwerk. Ihre Fußsohlen berührten weich wie die Pfoten eines Kätzchens den Boden, lautlos schlich sie sich in den Kreuzgang. Die Kälte des Steinbodens kroch ihr die Beine hoch, doch sie spürte sie nicht. Das Herz schlug ihr unvermindert heftig in der Brust.
    Begleitet vom Licht des Halbmondes ließ sie den Kreuzgang und die Stiftskirche hinter sich. Ihr Ziel war das Klosterportal, welches nachts nicht bewacht, sondern nur verriegelt war. Als ein Käuzchen rief – Hazecha schritt gerade über den Hof –, hielt sie inne und schaute noch einmal zur Krankenkammer zurück. Domenica hatte sich zu einer umsichtigen Heilerin entwickelt und würde sich auch alleine um die Patienten kümmern können.
    »Schwester Hazecha?«
    Erschrocken fuhr sie herum und blickte in die fragenden Augen von Schwester Edda, die, was Hazecha nicht wusste, gleich nach Esikos Besuch von Äbtissin Adelheid mit dem Hinweis auf absolut geltende Schweigepflicht dazu angewiesen worden war, den Portaldienst nun die gesamte Nacht hindurch zu versehen.
    »Ich, ich …«, begann Hazecha, wusste jedoch nicht, wie sie ihr ungewöhnliches Vorhaben gegenüber der Einzigen, der sie sich im Kloster anvertrauen zu können glaubte, erklären sollte.
    »Sie wird Euch einsperren, wenn sie davon erfährt«, meinte Edda da nur und bedeutete Hazecha, zu ihr in den Schutz des Portals zu treten.
    »Ich tue es für meine Familie«, begründete Hazecha ihre Flucht. »Kann Gott diese Liebe für verwerflich halten?«
    Edda bedachte sie mit einem gütigen Blick. »Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht, denn Gott ist Liebe. Und Eure Schwester erwidert Eure Liebe.«
    »Aber woher wisst Ihr …?«, fragte Hazecha erstaunt und erinnerte sich dabei an das Wiedersehen mit Uta auf der Krankenstation.
    Edda lächelte. »Wie ein Ei dem anderen gleicht Ihr Euch.«
    »Ihr wusstest, dass die Frau, der die Fischgräte im Hals stecken geblieben war, in Wirklichkeit meine Schwester ist?« Edda nickte. »Als sie um Unterkunft bat, habe ich sofort die Ähnlichkeit zwischen Euch gesehen. Dass der Gefährte an ihrer Seite nicht ihr Angetrauter war, entging meinen müden Augen ebenfalls nicht – er trug graues Leinen, sie war in edles Blau gehüllt. Und jetzt sehe ich«, flüsterte Edda weiter, »dass Ihr Eurer Schwester, auch was den Mut angeht, in nichts nachsteht. Denn Ihr wisst, Hazecha, wenn Ihr jetzt das Stift verlasst, ist eine Rückkehr ausgeschlossen.«
    Hazecha nickte betroffen und spürte Tränen in ihre Augen treten.
    Statt weiterer Worte umarmte Edda

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