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Die Herrin der Kathedrale

Die Herrin der Kathedrale

Titel: Die Herrin der Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Beinert , Nadja
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sie die Ernte auf den Klosterländereien einbringen.«
    Die Äbtissin winkte Uta durch die Mittelreihe. »Ihr werdet von heute an hier nächtigen.« Sie deutete auf ein Holzgestell, dessen Leinen sie bei der Durchsicht aufgeschlagen gelassen hatte. »Alle Sanctimonialen sind aufgefordert, unmittelbar nach dem Gottesdienst zu Sonnenuntergang in den Schlafsaal zu gehen und keine Zeit mehr für Essen, Trinken oder überflüssiges Geplauder zu verschwenden.«
    Uta nickte nur, während sie in ihren Erinnerungen versank. Sie sah Hazechas Gesicht vor sich, als sie mit leuchtenden Augen zwischen ihren beiden Bettstätten hin- und hergesprungen waren, sah Gertruds zunächst mahnenden, dann aber lächelnden Blick, wenn diese sie bei ihren wenig damenhaften Spielereien zur Ordnung gerufen hatte.
    Die Äbtissin räusperte sich. »Und nun lasst uns noch zu den Privatzellen gehen, bevor ich Euch den anderen Stiftsdamen vorstelle. Sie werden für die kommenden Jahre Eure Schwestern sein.«
    Meine Schwestern?, durchfuhr es Uta. Sie hatte doch schon eine, und die hieß Hazecha und war nun schutzlos dem gewalttätigen Vater ausgeliefert.
    Die Uta zugewiesene Zelle lag direkt neben der Kammer der Äbtissin. In ihr befanden sich ein einfacher Tisch, an dem ein Holzstuhl lehnte, ein Teppich sowie ein filigran geschnitzter Schrank neben einer Liege.
    »Hierher dürft Ihr Euch tagsüber aus dem Gemeinschaftsleben zurückziehen«, erklärte die Äbtissin. »Bitte legt nun den Schleier und das Klostergewand an. Alle der Institutio Sanctimonialium verpflichteten Damen tragen das gleiche Gewand, unabhängig davon, ob sie das Gelübde abgelegt haben oder nicht.« Mit diesen Worten verließ die Äbtissin die Zelle, um draußen darauf zu warten, dass Uta die Schwesterntracht anzog.
    Uta trat vor das Lager und befühlte den derben Lodenstoff des Unterkleides. Das ärmellose Übergewand war nicht minder grob und ebenfalls von schwarzer Farbe. Danach fiel ihr Blick auf den weißen Schleier, und sie hielt inne.
    »Schwester, seid Ihr bereit für das Mahl?«, fragte die Äbtissin vom Kreuzgang aus.
    Gleichgültig streifte Uta Umhang und Krankengewand ab und zog die Stiftskleidung über. Schließlich legte sie den Schleier an, der ihr schwer auf den Rücken fiel. Dann trat sie vor die Zelle.
    Die Äbtissin begutachtete den Sitz der Gewänder und legte sogleich Hand an. »Der Schleier, so verlangt es die Institutio Sanctimonialium, darf den Haaransatz nicht freigeben.« Sie zog Uta den Schleier bis tief in die Stirn, genau so, wie sie ihn selbst trug. »Nun kommt zur Gemeinschaft.«
    Mit jedem Schritt in Richtung Speisesaal fühlte Uta den groben Stoff des Untergewandes fester auf ihrer Haut scheuern.
    »Jede Dame erhält pro Tag drei Pfund Brot und drei Krüge Wein, sofern die Nahrungsvorräte nicht durch schlechte Witterung geschmälert werden«, erklärte die Äbtissin an der Schwelle zum Speisesaal, der sich am Ende des Ganges im Erdgeschoss der Klosteranlage befand und von einer gewaltigen Holzbalkendecke überspannt war. »In diesem Saal finden auch die Unterweisungen statt. Weil er so groß und hell ist.« Die Äbtissin wies auf ein langgezogenes Regal unterhalb der Fensterreihe, in dem mehrere übereinandergestapelte Wachstafeln lagen. Unbewegt ließ Uta ihren Blick über die Runde der verschleierten Sanctimonialen gleiten, die an hufeisenförmig zusammengestellten Tafeln saßen.
    »Hier sitzt jede Schwester stets am selben Tisch und auf demselben Hocker. Zudem solltet Ihr wissen«, sprach die Äbtissin weiter und deutete dabei mit einem lobenden Blick auf die Runde, »dass wir uns bei den Mahlzeiten an das Schweigegebot des heiligen Benedikt halten. Bitte nehmt neben Schwester Alwine Platz«, bat sie schließlich und schob Uta sanft in die ihr gewiesene Richtung. Die Äbtissin selbst ließ sich in der Mitte der u-förmigen Tafel nieder.
    Gemeinsam sprachen die Schwestern das Mittagsgebet. Dann trugen die Mägde des Klosters Brot, Wein und Frühlingsgemüse auf. Eine der Schwestern begann währenddessen, die Stiftsregeln aus der Institutio Sanctimonialium vorzulesen. Für alles Weitere verständigten sich die Schwarzgewandeten mit Handzeichen. Uta konnte nichts essen, ihr Blick haftete an der hölzernen Gottesmutter auf dem Fenstersims gegenüber, die lächelnd das Jesuskind in ihren Armen wog.
    Nach dem Mahl bat die Äbtissin die Stiftsdamen in den Garten, wo sie sich Uta vorstellen sollten. Als die Sonne beinahe senkrecht am Himmel stand,

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