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Die Herrin der Kathedrale

Die Herrin der Kathedrale

Titel: Die Herrin der Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Beinert , Nadja
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unüberhörbar, während sich andere Sanctimonialen hinter vorgehaltenen Händen Vermutungen zuflüsterten. Hathuis Blick wanderte über ihre Schützlinge und blieb an einer der Schwestern hängen. »Was meint Ihr, Schwester, worüber hat der Abt nachgedacht?«
    Uta schüttelte zur Antwort verneinend den Kopf und senkte dann den Blick.
    »Überlegt doch einen Augenblick länger.« Zuversichtlich lächelnd trat sie vor Uta. »Was meint Ihr, worüber sollte eine Ehefrau Bescheid wissen?«
    Uta dachte nach. Die einzige Ehe, die sie je beobachtet hatte, war die der Eltern. »Kö… könnte es die Führung des Burghaushalts sein?«, brachte sie stotternd hervor. »O… o… oder die Pferdepflege?«, fügte sie unsicher hinzu, während sich ihre Wangen röteten. Ersteres hatte die Mutter sie gelehrt, solange der Vater nicht auf der Burg weilte. Zweiteres hatte sie unter Linharts Beisein – wenn auch heimlich – stets gerne getan.
    »Was für eine wunderbare Partie unsere Ballenstedter Schwester doch wäre«, flüsterte Notburga, die am Kopfende der Tafel saß, in die Runde und maß Uta mit einem abschätzigen Blick. »Gerade gut genug für den Stall! Eine richtige Pferdebraut!«
    Betroffen sah Uta zu den Hildesheimer Schwestern hinüber.
    »Pferdebraut?«, fragte sie.
    Ihr trauriger Blick stachelte Bebette erst richtig an. »Reiten in diesem Sinn wird dein Gatte im Ehebett sicherlich nicht zulassen. Oder planst du etwa tierische Nachkommen?« Mit einem breiten Grinsen legte sie ihre mächtigen Vorderzähne bis zum Zahnfleisch frei, während ihr dünner Hals sich über dem Gewandkragen in Falten legte. Einige der Sanctimonialen fielen in das Gekicher der Hildesheimer Geschwister mit ein, verstummten aber sofort, als die Äbtissin sich umwandte.
    »Ruhe, meine Lieben! Ich wünsche nicht, dass getuschelt wird«, forderte sie und schritt zu ihrem Pult zurück.
    Notburga nickte augenscheinlich ergeben und warf Bebette einen zufriedenen Seitenblick zu.
    Uta senkte betreten den Kopf.
    »Burgverwaltung und Pferdepflege sind sicherlich wichtige Fähigkeiten«, begann Hathui den Unterricht fortzusetzen. Doch das dritte Buch Mose enthält Ausführungsbestimmungen für den heiligen Priester- und Opferdienst, die vom Volke Israel dem Herrn erbracht werden sollten. Darunter sind auch Anweisungen zur Vermeidung von Verunreinigung und Gebote gegen die Unzucht. Abt Hrabanus Maurus leitete daraus konkrete Strafbestimmungen für Unzucht mit Tieren, Inzest und Geschlechtsverkehr während des weiblichen Blutflusses ab. Bitte lest diese bis zur nächsten Unterweisung im achtzehnten Kapitel nach. Der Herrgott möge solche Sünden bei Euch verhindern.« Daraufhin stimmte die Äbtissin ein Gebet an, in das ihre Schützlinge mit einfielen.
    Uta presste die Hände besonders fest zusammen und sprach ihr eigenes Gebet für die Seele der Mutter und dafür, dass Esiko die jüngere Hazecha vor dem Vater beschützen möge sowie die Hildesheimerinnen sie endlich in Ruhe lassen sollten.
    »Die Einhaltung der Keuschheit und die Abschaffung inzestuöser Handlungen ist unverzichtbar. Leider existieren zur Ermittlung des Verwandtschaftsgrades und damit der Inzestsünde mehrere Zählweisen«, führte die Äbtissin so ruhig aus, als ob sie über die Zusammenstellung des Mittagsmahls sprechen würde. Die Sanctimonialen folgten ihren weiteren Ausführungen über die Keuschheit der Ehefrau und die Pflichten der Wöchnerinnen, über die Behandlung von Ausfluss und über die Blöße der Frau mit unverhohlener Neugier.
    Die Äbtissin beendete die Unterweisung mit einem erneuten Gebet und der Aufforderung zum selbständigen Denken, als sie entdeckte, dass Uta nicht wie die anderen ihre Wachstafeln zurück in das Regal legte, sondern auf ihrem Platz verharrte und zur hölzernen Gottesmutter am Mittelfenster schaute.
    »Ist Euch nicht gut, Schwester?«
    Zögerlich wandte Uta den Blick von der Gottesmutter zu Hathui.
    »Bitte bleibt doch noch kurz hier bei mir«, bat diese, als sich die anderen Sanctimonialen anschickten, den Saal zu verlassen.
    Da trat Notburga neben Uta. »Unsere Pferdebraut bekommt Nachhilfe«, lästerte sie. »Ein Ackergaul ist wahrscheinlich noch die beste Partie für Euch«, ergänzte Bebette mit einem höhnischen Grinsen.
    »Lasst sie in Ruhe!« Alwine war zu den Hildesheimerinnen getreten.
    »Du?«, entgegnete Notburga spöttisch. »Eine stinkende Salbeibraut hat uns nun wirklich keine Vorschriften zu machen!«
    »Utas Verstand übertrifft den

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