Die Herrin der Kathedrale
über die Alpen ziehen. Unser Zug mit zehntausend Kämpfern wird der mächtigste sein, den die Italiener je gesehen haben!«
Der Herzog von Oberlothringen, der nach all den Jahren des gemeinsamen Kampfes das Vertrauen des Kaisers genoss, schaute wenig begeistert. »Zehntausend?«, erhob da neben ihm Heerführer Adalbero von Kärnten das Wort, der sich sonst gewöhnlich im Hintergrund hielt. »Im Moment weilen unsere Kämpfer noch bei ihren Familien. Sie haben sich etwas Zeit und Ruhe erbeten, bevor der nächste Kampf beginnt.
Das werden die anderen Heerführer bestätigen«, sagte er mit einem auffordernden Nicken in Richtung der Herren neben sich. Während Esiko nachdenklich schwieg, bejahte der Oberlothringer. Auch Ekkehard auf der gegenüberliegenden Seite stimmte zu.
Konrad nickte. Er wusste, dass sein Heer noch geschwächt war, er für den anstehenden Feldzug nach Burgund und Italien aber starke, glaubensfeste Kämpfer benötigte.
Aller Augen richteten sich nun auf die Kaiserin, die sich daraufhin in ihrem purpurnen Gewand mit den weit auslaufenden Ärmeln gewohnt elfenhaft erhob. Die Edelsteine ihres goldenen Gürtels glitzerten dabei mit denen ihrer Krone um die Wette. Giselas Blick glitt über die links und rechts des Teppichs stehenden Gäste. »Es gibt eine Möglichkeit, die erschöpften Seelen unserer Kämpfer zu heilen«, begann sie und fixierte nun die Heerführer zu ihrer rechten Seite. »Wir müssen die Naumburger Kathedrale fertigbauen.«
»Innerhalb von zehn Jahren wollten wir eine Kathedrale in Naumburg errichten«, übernahm Konrad das Wort. »Dieses Versprechen müssen wir halten, denn die Kathedrale ist das Symbol für die Stärke Gottes!«
»Und damit auch für die Stärke unserer Kämpfer!«, ergänzte Gisela und nickte dabei kaum merklich Erzbischof Humfried von Magdeburg zu. »Sie wird uns alle, die wir auf ihren Schutz angewiesen sind, kräftigen!«
Während die versammelten Grafen, Bischöfe und Äbte nun untereinander zu murmeln begannen, beobachtete Esiko zunächst die Schwester, die an der Seite des Gatten seltsam verloren wirkte. Dann glitt sein Blick auf die zierliche Gestalt hinter Uta. Er fühlte Hitze in sich aufsteigen, als er mit den Augen sorgsam ihre Rundungen, die von einem dunkelblauen Gewand umhüllt wurden, abtastete. Doch sein Glied erschlaffte jäh, als er den stolzen Blick Notburgas von Hildesheim auf sich ruhen fühlte und ihr mit einem verkrampften Lächeln zunickte.
»Die Bürde, die uns der Herrgott jedoch mit auf den Weg gegeben hat, ist die Zeit«, verkündete Konrad weiter. »Uns verbleiben noch fünf Jahre, um das Gotteshaus zu vollenden. Schaffen wir dies nicht, überführen wir uns selbst der Lüge. Vor dem Heer und vor allen, die bisher an die Kraft der Kathedrale und der heiligen Plantilla geglaubt haben.«
Stille erfasste den Raum.
Als neuer Markgraf werde ich als Allererstes dieses Gejammer um den Schleier zu unterbinden wissen, dachte Esiko.
»Wir brauchen einen fähigen Werkmeister, der genau dort fortfährt, wo Markgraf Hermann und Meister Tassilo aufhörten«, erklärte der Kaiser weiter.
»Das wird kaum möglich sein«, meldete sich Erzbischof Aribo von Mainz zu Wort und trat dabei neben den Thron des Kaisers. »War es nicht so, dass der rasche Baufortschritt unter Markgraf Hermann und Bischof Hildeward auf zahlreichen Zeichnungen beruhte? Zeichnungen, die während des Brandes teilweise vernichtet wurden? Und einer Planung, die so komplex ist, dass kaum jemand sie durchschaut?«
»Und dennoch ist es möglich, Euer Kaiserliche Hoheit«, widersprach da Erzbischof Humfried und trat vor die Empore.
»Wir müssten lediglich jemanden finden, der die Zeichnungen bereits kennt und den Bau in gleicher Manier fortzuführen versteht.«
»So jemanden gibt es nicht, Euer Kaiserliche Hoheit.«
Esikos Feststellung wurde vom Rascheln der Kleider Giselas begleitet, die bedächtig die Stufen der Empore hinabschritt und vor Ekkehard von Naumburg zum Stehen kam.
»Ich?«, fragte Ekkehard verwundert. »Ich kenne keine der Bauzeichnungen, Kaiserliche Hoheit«, erwiderte er unsicher. Auch hatte er nie vorgehabt, Werkmeister zu werden. Seine Berufung waren das Schlachtfeld und die politische Strategie.
»Euch meine ich auch nicht, Graf«, konnte Gisela gerade noch ein Schmunzeln unterdrücken. »Ich meine Eure Gattin.«
Getuschel setzte ein, doch Gisela wusste die Menge mit einer einzigen Handbewegung zum Verstummen zu bringen. Dutzende Augenpaare ruhten nun
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